Depressionen im Sommer: Kaum erforschte Summertime Sadness

Den Winterblues kennen viele, die Sommerdepression ist weniger bekannt. Gerade angesichts der Klimakatastrophe ist das Wissen darum wichtig.

Menschen in Badekleidung an einem sandigen Strand von oben aufgenommen

Summersadness oder Summerblues sind nicht so bekannt Foto: Thanassis Stafvrakis/dpa

Es ist heiß. Verdammt heiß. Während sich die meisten übers Badewetter freuen, ist die Stimmung – ganz euphemistisch umschrieben – bei anderen weniger heiter als wolkig. Denn tatsächlich leiden manche Menschen mit einer sogenannten saisonal-affektiven Störung (SAD) bei diesem Wetter besonders.

Den Begriff Winterblues kennen viele, die Summertime Sadness aber ist einem wohl vorrangig aus dem gleichnamigen Lied der Popsängerin Lana Del Rey bekannt – außer man ist selbst betroffen. Dann äußert sich die Som­merdepression in Unruhe, Schlafschwierigkeiten, erhöhter Reizbarkeit, Appetitlosigkeit und Rückzug.

Letzteres mag auch mangelndem Verständnis anderer geschuldet sein, schließlich ist objektiv ja grad die schönste Zeit im Jahr und etwaige Missstimmung nur schwer nachvollziehbar.

Anders verhält es sich, wenn die saisonal-affektive Störung in Herbst und Winter auftritt, denn hier sorgt mangelndes Tageslicht für depressive Symptome. Bei leichter Ausprägung reicht es meist, der Herbst-/Winterdepression mit einer Lichttherapie und/oder der Zugabe von Vitamin D3 zu begegnen.

Die Ursachen für das Stimmungstief im Sommer sind bisher allerdings weniger gut erforscht. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen der Medizinischen Universität Graz gehen davon aus, dass hier ein Zusammenhang mit der Produktion des Hormons Melatonin besteht. Ausgeschüttet wird es, wenn es dunkel wird, so reguliert es unseren Wach-Schlaf-Rhythmus. Werden im Sommer die Tage länger, komme es, so die Forscher*innen, vermutlich zu Störungen bei der Melatoninproduktion oder auch -ausschüttung.

Mehr Suizide bei Hitze

Dies sorge für innere Unruhe, könne aber auch andere chemische Prozesse beeinflussen, die schließlich zu einer echten Depression führen. Betroffen sind schätzungsweise „nur“ etwa 4–6 Prozent der Bevölkerung, wobei die Sommer­depression verschiedenen Untersuchungen zufolge besonders bei Frauen zwischen 20 und 40 Jahren aufzutreten scheint.

Auch unter zu depressiven Episoden Neigenden sind Unterschiede auszumachen, wenn es um eine SAD geht: So treten saisonal-affektive Störungen eher bei jenen mit einer bipolaren Störung auf als bei denjenigen, die zu einer unipolaren Depression neigen.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seel­sor­ge­r*in­nen zu chatten.

Besonders schwerwiegend: Mit dem Pegelstand auf dem Thermometer steigt auch die Suizidrate. Zwar erhöhen steigende Temperaturen nicht direkt die Motivation zu einem Suizid, sie gelten aber mittlerweile als ein (!) beeinflussender Faktor. Vor allem hinsichtlich des Klimawandels und der damit verbundenen Hitzesommer, die eher mehr als weniger werden, ist diese Entwicklung mehr als nur eine Beobachtung wert.

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Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.

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