Die Wahrheit: Stinker ohne Rücksicht

Viel Spaß mit dem Vielfraß! Ein interessanter Einwanderer klopft an unsere heimische Tür und schmatzt sich bald gierig durch die Lande.

Zeichnung Vielfraß

Er ist kompromisslos und ein kluger Jäger: der Gierling Foto: taz-Archiv

Die „Freunde des Vielfraßes“ sind keine Kochgruppe, sondern ein Freundeskreis, der sich der Einbürgerung des marderartigen Vielfraßes verschrieben hat. „Warum?“, wird der Tierfreund fragen, denn eine Augenweide ist der plumpe Allesfresser nun wirklich nicht.

Aber das sind Äußerlichkeiten, wir brauchen heutzutage einfach mehr robuste Jäger im Wald, weil uns sonst Rotwildrudel und Schwarzkittelrotten auf der Nase herumtanzen. Die Folge: Verbiss der jungen Baumsprösslinge, Waldbrand, Evakuierung und Versteppung.

Wir brauchen also einen kompromisslosen Jäger, der das Rotwild Mores lehrt und der im Wald aufräumt. Und das tut so ein Vielfraß, der seinen Namen nicht umsonst trägt. Er soll imstande sein, zwei Rentiere auf einmal zu verzehren, staunt das „Buch der Tierwelt“.

Da staunt der heimische Grillmeister, wie kann das angehen? Des Rätsels Lösung ist die Methode des Tiers, sich zwischen zwei eng stehenden Bäumen hindurchzuzwängen, um „sich dabei Luft zu verschaffen“. Eine im Tierreich einzigartige Form des Werkzeuggebrauchs des Gierlings, wie der kluge Vielfraß treffend auch genannt wird.

Plump, aber tollkühn

Der „Volks-Brehm“ schmäht ihn unsensibel als „eine der plumpesten Gestalten der ganzen Familie“, räumt dann aber auch widerwillig ein, dass dieser so tollkühn ist, dass ihm sogar Wölfe und Bären aus dem Wege gehen, „wahrscheinlich des Gestankes wegen“.

Auch Wikipedia berichtet davon, dass der Vielfraß Pumas und Bären vom Riss vertreibt. Weitere Wunderdinge über Gulo gulo sind im „Buch der Tierwelt“ von 1910 nachzulesen: „Er ist wild und verwegen und tötet Rentiere durch einen einzigen Biss ins Genick.“

Die größten Widersacher des mordenden Marders sind aber nicht in der Tierwelt zu finden, sondern eher an den Stammtischen der missgünstigen Jäger, bei denen der Vielfraß geradezu verhasst ist, weil er ihre Jagdbeute gern anfrisst und ihre Fallen plündert. Bei den Kindern ist der Vielfraß dagegen beliebter: „Vielfraß nennt man dieses Tier, wegen seiner Fressbegier!“, zitiert Brehm einen alten Kinderreim.

Stolz und gefürchtet

Ansonsten wird der stolze und gefürchtete Räuber gern unterschätzt. Schuld daran ist seine unorthodoxe Fortbewegung, wie das „Buch der Tierwelt“ weiß: „Laufen ist nicht seine Sache“, sondern er wälzt sich eher dahin, wenn er nicht in „großen Bogensätzen humpelnd und Purzelbäume schlagend“ voranzukommen sucht. Der Gierschlund wäre also eine echte Bereicherung für unsere einheimische Tierwelt, die sich ja eher stromlinienförmig fortbewegt.

Und wann ist mit seiner mit Spannung erwarteten Einwanderung zu rechnen? Fachkundig mit Aas angeködert, wird sich der erwartete Neuling trotz seiner trollartigen Fortbewegungsweise zehn bis fünfzehn Kilometer ohne Unterbrechung fortbewegen und kann so in einer Nacht etwa 45 Kilometer zurücklegen. Den weiten Weg aus Nordfinnland oder Schweden sollte der zähe Troll also in etwa einem halben Jahr zurücklegen können. Räumen wir ihm noch ein paar großzügige Fresspausen ein, so könnten die ersten Vielfraße bereits in Jahresfrist bei uns auftauchen.

Freuen wir uns auf eine spannende Erstbegegnung des exotischen Neulings mit unseren verwöhnten Möpsen, Kuschelkatzen und Streicheltieren vom heimischen Ponyhof. Auch unsere träge gewordenen Luchse sollten sich warm anziehen! Willkommen, Stinker!

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kari

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