Balkanreise des Kanzlers: Da muss mehr kommen

Auch um Russland zurückzudrängen braucht der Balkan eine echte Integrationsperspektive gen Westen. Scholz hat das erkannt – und agiert trotzdem zu zögerlich.

Scholz zusammen mit dem bulgarischen Premieminister Petkov

Immerhin hat Scholz Klartext gesprochen: Treffen mit Bulgariens Premier Petkov am Samstag in Sofia Foto: reuters

Olaf Scholz hat bei seiner Reise auf den Balkan immerhin Klartext geredet. Das war nicht mehr das verhaltene Geschwurbel seiner Vorgängerin. Er war bereit die Konfliktpunkte offen anzusprechen und hat einige Akzente gesetzt. So in Serbien und Bulgarien. Aber ein Durchbruch war das noch nicht.

Die härtesten Nüsse hat er also nicht knacken können. Zwar war ersichtlich, dass die deutsche Diplomatie Serbien nicht mehr wie früher als einen „stabilisierenden Faktor“ begreift, sondern als das, was es ist: ein Unruhefaktor, der erhebliche „Defizite“ bei Rechtsstaat und Pressefreiheit aufweist, ein Land, das sich von Russland und China militärisch aufrüsten lässt, das Konflikte mit Kosovo und in Bosnien provoziert.

Doch Präsident Aleksandar Vucic wich keinen Millimeter von seinen Positionen ab. Serbien wird weiter Gas und Öl aus Russland beziehen und die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen. Basta. Wie will Serbien so aber in die EU aufgenommen werden?

Auch in Bulgarien musste Scholz erkennen, dass das Nato- und EU-Land nicht nur im Korruptionsstrudel steckt, sondern weiterhin altertümlich anmutende nationalistische Positionen in Bezug auf Nordmazedonien vertritt. Tragisch für Nordmazedonien, das seit 2005 fast alle Kriterien für die Aufnahme in die EU erfüllt hat. Aber da scheint immerhin das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein.

Es kommt jetzt darauf an, den Schwung mitzunehmen, den der Krieg Russlands in der Ukraine ausgelöst hat. Russland sieht Serbien und die serbische Teilrepublik in Bosnien als Einfallstor auf dem Balkan an. Dem entgegenzutreten ist im strategischen Interesse des gesamten Westens.

Endlich habe eine „Mehrheit in der EU“ (Scholz) erkannt, dass man dem westlichen Balkan wieder eine ernsthafte Perspektive für die Integration geben muss. Da reicht der „Berliner Prozess“ mit vagen Versprechungen nicht aus. Da muss aus Berlin und endlich auch aus Paris mehr kommen.

Der prowestlichste Staat der Region, Kosovo, wartet sogar immer noch auf die Visafreiheit. Fünf EU Staaten haben das Land noch nicht diplomatisch anerkannt. Scham für Europa. Das muss sich ändern. Auch dass viele EU-Repräsentanten extremistische Nationalisten in Bosnien und Herzegowina unterstützen, anstatt sie zu bekämpfen, ist ein Skandal. Scholz hätte ein Zeichen gesetzt, wenn er auch dieses Land besucht hätte.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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