Dieselknappheit in Argentinien: Ernte und Aussaat in Gefahr

In Argentinien ist der Diesel knapp. Das macht vor allem der Landwirtschaft zu schaffen, die aber womöglich auch eine Ursache des Problems ist.

Eine Frau tankt ein Auto

In den meisten Provinzen herrscht „nur geringe oder gar keine Versorgung“ an den Tankstellen Foto: Roberto Almeida/imago

BUENOS AIRES taz | In Argentinien herrscht Dieselmangel. Auf den Überlandstraßen stauen sich Hunderte von LKW. Wer Glück hat, bekommt an der nächsten Zapfsäule Kraftstoff für die nächsten 100 Kilometer. Wer Pech hat, kommt tagelang nicht weiter.

Während der laufenden Ernte Gefahr droht, nicht in vollem Umfang eingefahren werden zu können, ist auch die rechtzeitige Aussaat für die nächste vom Treibstoffmangel bedroht. Eine schwierige Situation, die weltweite Folgen haben könnte. Mit rund 14 Millionen Tonnen ist Argentinien immerhin der siebtgrößte Weizenexporteur der Welt.

Nach der letzten Erhebung des argentinischen Verbands der Gütertransportunternehmen Fadeeac gibt es in 14 von 24 Provinzen „nur geringe oder gar keine Versorgung“ an den Tankstellen. Dass bisher Diesel als einziger Treibstoff knapp ist, erklärt sich aus dem allgemeinen Verbrauch, bei dem Diesel einen Anteil von 60 Prozent ausmacht. Wenig überraschend für einen großen Flächenstaat fast ohne Eisenbahnen für den Gütertransport.

Schon im März hatte der Verband der Tankstellenbetriebe Cecha vor der drohenden Treibstoffknappheit gewarnt. Die Ölgesellschaften würden nicht in ausreichender Menge liefern, die Tankstellen müssten den Dieselverkauf rationieren und die Ernte sei in Gefahr, erklärte damals der Cecha-Vorsitzende Gabriel Bornoroni.

Erlaubter Biodieselanteil angehoben

Inzwischen hat sich die Versorgungslage mit Diesel weiter verschärft. Betroffen sind vor allem Gebiete im Norden – aber auch die Provinzen Santa Fe, Córdoba und Buenos Aires, das Zentrum des Getreide- und Ölsaatenanbaus. Noch relativ entspannt ist die Lage in den patagonischen Provinzen sowie auf Feuerland. Um die Versorgungsnot zu lindern hat die Regierung den Biodieselanteil von bisher erlaubten 5 auf zunächst 7,5 Prozent angehoben. Bis Ende August soll er auf 12,5 Prozent steigen.

„Eine Erhöhung des Biodieselanteils kann lindernd wirken, löst aber nicht das zugrunde liegende Problem“, kommentierte der Fadeeac-Vorsitzende Roberto Guarnieri. Kaum war die Anhebung beschlossen, erhöhten die Ölkonzerne den Dieselpreis um bis zu 20 Prozent. Auch wenn der Liter für europäische Verhältnisse mit umgerechnet 75 Cent wenig kostet, überstieg der Dieselpreis damit erstmals den Preis für Superbenzin.

Treibstoff ist staatlich subventioniert

Argentinien ist traditionell Nettoimporteur von Dieselkraftstoffen. Unterm Strich werden gut 30 Prozent des Dieselverbrauchs importiert. Die Treibstoffpreise sind staatlich reguliert. Steigen die Weltmarktpreise, muss der Staat kräftiger subventionieren oder die Ölkonzerne zur Übernahme der Preisdifferenz zwingen.

Am einfachsten funktioniert das beim staatlichen Ölkonzern YPF mit seinem Marktanteil von 60 Prozent. Ihm folgen Shell mit 17 Prozent und Axión mit 16 Prozent. Doch gerade YPF hat wegen der staatlichen Dollarknappheit Einkaufsschwierigkeiten.

Die Ölkonzerne weisen alle Schuld von sich, meldeten für die Monate März, April und Mai einen Produktionsrekord von 12 Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres und machten die Landwirte verantwortlich.

Vor allem die Agrarbetriebe hätten wegen der vorhersehbaren Preissteigerungen durch den Krieg in Europa gehamstert, ihre Vorratstanks gefüllt und die Depots der Raffinerien kräftig geleert. Der bisher noch verhaltene Protest der Agrarwirtschaft gegen die Dieselknappheit lässt das zumindest plausibel erscheinen.

Zum Tanken nach Argentinien

Für alle sichtbar ist die gestiegene Nachfrage aus den Nachbarländern. Die subventionierten Treibstoffpreise in Argentinien hielten den Preisanstieg in den vergangenen Monaten im Vergleich zu dem in Chile, Brasilien, Paraguay und Uruguay in Grenzen. Für die Nachbarn wurde die kurze Fahrt zum Tanken nach Argentinien immer lohnender. Die Grenznähe der am meisten von der Verknappung betroffenen argentinischen Provinzen ist der Beleg.

Das Ausmaß des illegalen Treibstoffschmuggels in großen Stil bleibt dagegen unsichtbar. Inzwischen wurden nicht nur die Grenzkontrollen verschärft, auch bei Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen werden an den grenznahen Tankstellen kräftig erhöhte Spritpreise verlangt.

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