Öl aus Russland: China nimmt es liebend gerne

Im Mai hat Peking so viel Rohöl aus Russland importiert wie nie zuvor. Damit droht das Embargo der westlichen Industriestaaten ins Leere zu laufen.

Ein Mann mit Bauhelm läuft über einen riesigen Tank

Die großen Tanks in China sind wohl voll – wie hier in einer Raffinerie in Wuhan, Provinz Hubei Foto: Darley Shen/reuters

SHANGHAI taz | Es war nur eine Frage der Zeit, bis China das vom Westen hinterlassene Vakuum füllen würde. Im Mai hat Peking so viel Rohöl aus Russland importiert wie nie zuvor: über 8,4 Millionen Tonnen, 55 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit ist Russland zum wichtigsten Öllieferanten Chinas aufgestiegen, noch vor Saudi-Arabien.

Überraschend ist die aus europäischer Sicht deprimierende Entwicklung nicht. Denn die chinesische Regierung hat sich von Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine an nicht nur mit Kritik zurückgehalten, sondern ist Moskau loyal zur Seite gestanden. Pekings Staatsmedien nahmen die Mär der „militärischen Spezialoperation“ auf und vermeiden es bis heute, den Aggressor zu benennen. Stattdessen betonten sie die „grenzenlose Freundschaft“ zu Russland.

Dass sich Chinas Treue nun auch in erhöhten Energielieferungen widerspiegelt, ist der nächste logische Schritt. Er hat vor allem mit den starken Rabattkonditionen zu tun: Russland bietet seinen Verbündeten Rohöl zu einem Drittel des sonst üblichen Marktpreises für international gehandeltes Rohöl an. Peking, das vor allem eine interessengeleitete Außenpolitik betreibt, nutzt die neue Machtposition wie zu erwarten aus.

Dabei steht das energiehungrige China jedoch mitnichten allein da. Indien beispielsweise hat seine Einkäufe von russischen Ölraffinerien sogar noch deutlicher gesteigert: 2022 hat Neu-Delhi bereits fünfmal so viel importiert wie im gesamten Vorjahr. Auch Sri Lanka erwägt, mehr Energie aus Russland zu beziehen.

Devisen aus Asien finanzieren den Krieg

Damit liefern asiatische Länder die dringend benötigten Devisen, mit denen Putin seinen Krieg in der Ukraine weiter finanzieren kann. In einem aktuellen Bericht des Centre für Research on Energy and Clean Air in Helsinki heißt es, dass Russland in den ersten 100 Kriegstagen 93 Milliarden Euro durch die Ausfuhr fossiler Brennstoffe verdiente, was 40 Prozent der gesamten Budgeteinnahmen ausmacht.

Peking ist dabei der mit Abstand wichtigste Partner an Moskaus Seite. Erst vergangene Woche rief Staatschef Xi Jinping – ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag – bei Wladimir Putin an, um über eine vertiefte Zusammenarbeit zu sprechen. Interessant bei dem Telefonat war vor allem, wie stark sich die Berichte beider Seiten unterschieden: Laut der Version des Kreml soll auch auch über militärische Kooperationsprojekte gesprochen worden sein.

Drahtseilakt der chinesischen Regierung

Und mehr noch: Xi hätte die „Legitimität der Maßnahmen Russlands zum Schutz seiner grundlegenden nationalen Interessen“ hervorgehoben. Das Außenministerium in Peking hingegen erwähnte all dies mit keiner Silbe. Stattdessen wurde betont, dass Chinas Staatschef „zu Frieden und wirtschaftlicher Stabilität“ aufgerufen habe.

An solchen Details merkt man deutlich den Drahtseilakt, den die chinesische Regierung gehen möchte: Einerseits hält man Moskau die Treue, um einen gemeinsamen Verbündeten gegen den Westen zu haben. Gleichzeitig möchte Peking auf der internationalen Bühne als friedensstiftende Macht wahrgenommen und nicht zur Zielscheibe internationaler Sanktionen werden. Dieses doppelte Spiel wird auf lange Sicht jedoch nicht gut gehen: Alle Interessen wird China wohl nicht durchsetzen können, da sie sich schlussendlich widersprechen.

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