Menschenrechtsverletzungen in China: Berichte des Grauens aus Xinjiang

Eine internationale Medienkooperation belegt Verbrechen an den Uiguren im Nordwesten Chinas. Peking soll auch einen Schießbefehl erteilt haben.

Polizisten stehen bewaffnet vor dem Eingang eines Gefangenenlagers

Schwer bewaffnete Polizei steht vor einem Gefangenenlager in der Region Xinjiang Foto: Mark Schiefelbein/ap

PEKING taz | Bei der Unterdrückung der Uiguren handelt es sich zwar um eines der schwerwiegendsten Menschenrechtsverbrechen unserer Zeit. Doch die Repression findet im Verborgenen eines intransparenten Polizeistaats statt. Da Recherchen vor Ort quasi unmöglich sind, beruht ein Großteil der Quellenlage auf Satellitenaufnahmen sowie Zeugenaussagen von Betroffenen, die mittlerweile im Exil leben.

Umso wichtiger sind die am Dienstag von einem internationalen Mediennetzwerk veröffentlichten „Xinjiang Police Files“. Das Datenleak, welches zuvor dem deutschen Xinjiang-Forscher Adrian Zenz zugespielt wurde, stammt direkt aus dem Inneren des verschlossenen Sicherheitsapparats: zehn Gigabyte an Polizeiakten, Fotos und empirisch überprüfbaren Dokumenten. In Deutschland waren der Bayerische Rundfunk und der Spiegel an den Recherchen beteiligt.

Die Berichte belegen, mit welch brutalen Methoden der chinesische Staat die Uiguren gefügig machen möchte. Fotos aus den Lagern zeigen etwa offene Foltermethoden, darunter der sogenannte Tigerstuhl: Dabei werden Gefangene über Stunden hinweg auf einem Stahlapparat fixiert, ohne sich bewegen zu können. Betroffene berichten von einem quälenden Gefühl der Ohnmacht.

Grausamkeiten von der Parteiführung angestachelt

Auf anderen Bilddokumenten sieht man, wie Häftlingen schwarze Kapuzen über ihre Körper gezogen werden. Oder wie sie offene Wunden an ihrem Rücken tragen – mutmaßlich von prügelnden Wärtern zugefügt. Rechtliche Konsequenzen haben die Autoritäten nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Die „Xinjiang Police Files“ beweisen, wie sehr solche Grausamkeiten gezielt von der Parteiführung angestachelt, ja erwartet wurden.

Das Datenleak zeigt zudem auf, wie willkürlich gegen die Uiguren vorgegangen wird: Ein junger Mann wurde etwa zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er gemeinsam mit seiner Mutter eine Audiodatei auf seinem Handy abgehört haben soll, in der es um „religiöse Steuern, verschleierte Frauen und Männer mit Bärten“ ging. Eine ältere Frau wurde zu 16 Jahren verurteilt, weil sie eine „nicht genehmigte Veranstaltung“ organisiert hat. Ein anderer Mann wurde allein deshalb in ein Lager gesteckt, weil er auf seinem Handy eine Software installiert hatte, um die chinesische Internetzensur zu umgehen.

Chen Quanguo, früherer KP-Chef in Xinjiang

„Erst töten, dann melden“

Der vielleicht ungeheuerlichste Aspekt: In den geleakten Polizeiakten wird ganz offen von einem Schießbefehl gesprochen. So heißt es über Insassen, die aus den Lagern fliehen wollen: „Wenn die Auszubildenden die Warnschüsse ignorieren und weiter versuchen zu fliehen, werden sie von der bewaffneten Polizei erschossen.“ Der frühere Parteichef der Region, Chen Quanguo, soll gar in einer Geheimrede gesagt haben: „Erst töten, dann melden“.

Der Leak ist deshalb wichtig, weil er mit harten, von Forensikern und Journalisten überprüften Fakten die unzähligen Zeugenaussagen von Uiguren im Exil untermauert. Zudem lässt er das Lügengebäude der chinesischen Regierung einstürzen: Peking behauptet schließlich, dass es sich bei den Umerziehungslagern um „freiwillige Ausbildungszentren“ handeln würde.

Doch trotz dieser Faktenlage wird sich wohl die offizielle Position der chinesischen Regierung nicht ändern. Auch am Dienstag stritt Außenamtssprecher Wang Wenbin sämtliche Anschuldigungen kategorisch ab: Hinter dem Datenleak stecken angeblich „antichinesische Kräfte“, die „Gerüchte und Lügen verbreiten“. Die Realität ist aus Pekinger Sicht eine andere: In Xinjiang würden die Menschen „in Frieden und Glück“ leben.

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