Protest gegen Russlands Präsidenten: „Unsere Jungs sterben dort!“

Der russische Sänger Schewtschuk kritisierte bei einem Konzert Putin und dessen Krieg. Daraufhin kam die Polizei in seine Garderobe.

Porträt des Sängers Juri Schewtschuk

Putin-Kritiker: Juri Schewtschuk, hier 2016 einem Festival Foto: Ilya Pitalev/afp

BERLIN taz | Darauf hatte die Millionenstadt Ufa, Hauptstadt der russischen Teilrepublik Baschkortostan, schon lange gewartet: das Konzert ihres Sohnes Juri Schewtschuk am vergangenen Mittwoch. Und so waren alle Karten schon Tage vorher restlos ausverkauft, berichtet der Fernsehsender Baschkortostan24 stolz.

Nicht im Fernsehen zu sehen waren indes Schewtschuks kritische Worte zum Krieg gegen die Ukraine. „Jetzt werden in der Ukraine Menschen umgebracht. Warum nur? Unsere Jungs sterben dort. Warum?“, rief Schewtschuk seinen jubelnden Fans zu. „Wieder sterben die jungen Menschen aus Russland. Alte Menschen, Frauen und Kinder verlieren ihr Leben, weil unser Cäsar Pläne wie Napoleon hat. Heimat, meine Freunde, das ist nicht der Arsch des Präsidenten, den man ständig lecken und küssen muss. Die Heimat – das ist die arme Oma am Bahnhof, die Kartoffeln verkauft.“

Doch zum eigentlichen Höhepunkt des Abends in Ufa in der vergangenen Woche kam es nach dem Konzert. Und der spielte sich hinter den Kulissen ab. Kaum hatte Schewtschuk die Bühne verlassen, stürzten sich Polizisten auf ihn, schlossen ihn der Garderobe ein, zeigten ihn an und wollten ihn zunächst festnehmen. Der Vorwurf lautete, er habe die russische Armee diskreditiert, berichtet das Portal ufa1.ru.

Kritische Stimmen auch aus anderen Ecken

Der jüngste Auftritt von Schewtschuk war nicht der erste Protest gegen Moskaus Kriege. Ende der 80er Jahre hatte er das Lied „Schieß nicht!“ als Protest gegen die russische Invasion in Afghanistan geschrieben und vor über hunderttausend Fans gesungen. Und als Boris Jelzin 1994 Krieg gegen Tschetschenien angezettelt hatte, gehörte Schewtschuk zu den Stimmen, die diesen Krieg kritisierten.

Fast 12 Millionen Klicks hat ein Youtube-Video von 2010, das Schewtschuk bei einem Empfang von Wladimir Putin in einer heftigen Kontroverse mit diesem zeigt. Eine direkte Konfrontation mit Putin vor laufenden Kameras hatte vor Schewtschuks Auftritt bisher nur einer gewagt: Michail Chodorkowski. Kurz nach Chodorkowskis öffentlicher Kritik an Putin kam der Unternehmer für die nächsten zehn Jahre ins Gefängnis. Doch Schewtschuk machte weiter. Ebenfalls 2010 unterstützte er die Waldschützer von Chimki, die gegen eine neue Autobahn kämpften, und 2015 stand er Lkw-Fahrern zur Seite, die gegen ein neues Mautsystem protestierten.

Unterdessen wurde bekannt, dass sich auch die russische Punkgruppe Kis-Kis gegen den Krieg positioniert hat. Bei ihrem jüngsten Konzert in St. Petersburg hatten die Mu­si­ke­r:in­nen in einem 5.000 Menschen fassenden Saal zusammen mit dem Publikum „Scheiß Krieg“ skandiert.

Auch der russische UN-Diplomat Boris Bondarev hat sein Amt aus Protest gegen den Ukrainekrieg aufgegeben. „Noch nie habe ich mich so für mein Land geschämt“, äußerte er in einem Schreiben, in dem er scharfe Worte findet. Der Krieg sei ein Verbrechen an den Ukrainern, aber auch am russischen Volk.

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