Berliner Parteienlandschaft: Grüne wachsen über sich hinaus

Die Grünen haben binnen fünf Jahren ihre Mitgliederzahlen verdoppelt und sind erstmals zweitgrößte Partei. Das liegt auch an der Schwäche der CDU.

"Zukunft fertig los" steht auf einem Wahlplakat der Grünen aus dem Jahr 2021 vor dem Roten Rathaus in Berlin.

Die Zukunft der Berliner Grünen sieht rosig aus, wenn sie weiter wachsen wie bisher Foto: Michael Danner

BERLIN taz | In Nordrhein-Westfalen haben sich die Grünen bei der Wahl jüngst fast verdreifacht und verhandeln nun mit der CDU über eine schwarz-grüne Koalition, im Bundeskabinett sind sie dominierend und auch in Berlin weiter aufstrebend: Der Grünen-Landesverband hat die hiesige CDU nicht nur bei der Abgeordnetenhauswahl überholt, sondern ist auch bei der Mitgliederzahl inzwischen die Nummer 2 in Berlin.

Der Platztausch liegt an einer gegenläufigen Entwicklung bei den beiden Parteien. Während sich bei den Grünen ihr seit 2016 anhaltendes starkes Wachstum fortsetzt, verliert die CDU Mitglieder. Anfang 2021 noch fast 13.000 Mitglieder stark, verkleinerte sie sich bis Beginn dieses Jahres auf rund 12.400 und verlor bis zur jüngsten Zählung im April weitere 300 Mitglieder.

„Wir freuen uns riesig über diesen Zuwachs“, reagierten die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Philmon Ghirmai und Susanne Mertens gegenüber der taz. „Diese Entwicklung zeigt: Immer mehr Menschen möchten sich gemeinsam mit uns für ein klimaneutrales, sozial gerechtes und weltoffenes Berlin einsetzen.“

Philmon Ghirmai und Susanne Mertens, Landesvorsitzende der Berliner Grünen

„Diese Entwicklung zeigt: Immer mehr Menschen möchten sich gemeinsam mit uns für ein klimaneutrales, sozial gerechtes und weltoffenes Berlin einsetzen“

Als Grund für den Mitgliederrückgang bei den Christdemokraten gilt unter anderem das CDU-interne Gezerre um die Kanzlerkandidatur. „In der gesamten Union gibt es einiges an Frustration aufgrund der Bundestagswahl – das ging auch an uns nicht komplett vorbei“, sagte Parteisprecher Michael Ginsburg der taz. Mittlerweile spüre man allerdings wieder Aufbruch und Rückenwind durch die aktuellen Wahlerfolge. „Das werden wir hier in Berlin dieses Jahr nutzen für eine Mitgliederwerbekampagne und die Mobilisierung der modernen Mitte.“

Parteistrukturen wachsen nicht mit

Die Grünen hingegen sind ungebrochen auf dem Weg nach oben – ihr einziges Problem dabei ist, ihre Strukturen zu überdenken, die weiterhin auf eine ehemals weit kleinere Partei ausgelegt sind. Sie zählen nach eigenen Angaben aktuell 12.500 Köpfe und damit knapp 400 mehr als die Christdemokraten. Noch vor fünf Jahren, im Februar 2017, umfasste die Kartei des Landesverbands gerade mal rund 5.700 Mitglieder. Das bedeutete damals nur Platz 4 im Parteiranking.

Erst Anfang 2020 zogen die Grünen dank eines Zuwachses von über 2.000 Mitgliedern binnen eines Jahres an der zuvor drittplatzierten Linkspartei vorbei. Die Parteiführung erklärt sich diese Verdopplung auch damit, dass man die richtigen Antworten habe, etwa in der Klimakrise – in die fünf Jahre des Mitgliederzuwaches fielen auch die Dürresommer.

Stärkste Partei in Berlin ist weiterhin die SPD. Die hatte nach Jahren des Mitgliederschwunds bis auf unter 17.000 ausgerechnet nach der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl 2017 stark zugelegt und zählte wenige Monate später rund 21.500 Köpfe. Einige der Neuen verließen zwar wieder die Partei, doch die Zahl hält sich weiterhin knapp unter 20.000.

Zweiter Großgewinner unter den Berliner Landesverbänden ist die FDP. Ihr dabei wieder gewählter Vorsitzender Christoph Meyer konnte beim Landesparteitag Anfang Mai auf rund 4.200 Mitglieder verweisen, gut 800 mehr als ein Jahr zuvor. In Prozent ausgedrückt war der Zuwachs gegenüber dem vergangenen Jahr bei den Liberalen sogar noch größer als bei den Grünen: fast 23 Prozent Zugewinn gegenüber rund 20 Prozent bei den Grünen.

Linke verliert Mitglieder in allen Bezirksverbänden

Die Linkspartei, die 2021 noch einen Mitgliederzuwachs erlebte, musste in den ersten Monaten dieses Jahres, die auf Bundesebene von erheblichen Verwerfungen geprägt waren, Verluste hinnehmen. Gab es Ende 2021 noch gut 7.900 Mitglieder im Landesverband, so waren es Anfang Mai rund 7.700. „Wir verlieren derzeit leider in allen Bezirksverbänden über die normale Fluktuation hinaus Mitglieder“, sagte Parteisprecherin Diane Buhe der taz. Man sei aber „dennoch zuversichtlich, dass sich die Zahlen im Zuge der innerparteilichen Klärungsprozesse zeitnah wieder stabilisieren“.

Kleinste Partei bleibt mit Abstand die AfD, die 2021 mehr als jeden Zehnten verlor und auf 1.186 Mitglieder sank. Seit Jahresbeginn hat der Landesverband nach eigenen Angaben nochmal 30 Mitglieder verloren.

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