CDU will mit AfD paktieren: Thüringen vor neuem Tabubruch

Die CDU in Thüringen will einen neuen Mindestabstand für Windräder zu Wohngebäuden einführen. Das geht nur mit den Stimmen der AfD.

Windräder im Sonnenuntergang.

Wenn die Sonne in Thüringen untergeht. Windräder bei Straussfurt Foto: photo2000/imago

BERLIN taz | Im Landtag in Thüringen herrscht Aufregung. Das liegt an einem Antrag, den die CDU-Fraktion eingebracht hat und über den wahrscheinlich Ende kommender Woche abgestimmt wird. Die CDU will damit einen Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Wohngebäuden per Gesetz festschreiben.

Es gehe um „Rechtssicherheit“ und darum, den Menschen zuzusichern, dass ihnen kein Windrad in den Vorgarten gestellt werde, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt. Sein Problem: Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung ist gegen den Vorschlag. Für die Mehrheit braucht die CDU also die Stimmen von FDP und AfD. Und genau eine solche Mehrheit zeichnet sich ab.

„Es wäre das erste Mal, dass hier ein Gesetz mit der AfD durchgesetzt wird“, sagte die grüne Fraktionschefin Astrid-Rothe Beinlich der taz. „Das wäre ein fortgesetzter Dammbruch, den es so ja nicht mehr geben sollte.“ Die Thüringer AfD und ihr Frontmann Björn Höcke sind laut Verfassungsschutz „erwiesen rechtsextrem“.

Zum ersten Mal war der Damm gebrochen, als im Februar 2020 Thomas Kemmerich von der FDP zum Ministerpräsidenten gewählt worden war – mit den Stimmen von CDU und AfD. Das hatte nicht nur zu einer Regierungskrise in Thüringen, sondern auch zu einer tiefen Erschütterung in der CDU geführt.

Die CDU weist die Verdächtigungen zurück

„Die Frage ist, ob das jetzt eine Normalisierung werden soll“, sagte Rothe-Beinlich. „Die CDU hat offensichtlich keine Skrupel, erneut mit der AfD zu kooperieren“, kritisierte auch Thüringens Innenminister Georg Maier, der auch Landeschef der SPD ist, auf Twitter. Die Partei habe nichts aus dem politischen Dammbruch von 2020 gelernt. Der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg sieht eine grundsätzliche Gefahr. „Das Klimathema droht gerade im Osten zu einem Einfallstor für weiteres Auseinanderdriften und für Normalisierungen des Rechtsextremismus zu werden“, twitterte er.

Die CDU weist die Vorwürfe zurück. „Die AfD halte ich für eine rechtsextreme Partei“, sagt Fraktionschef Voigt. Die CDU stelle hier lediglich einen Vorschlag zur Abstimmung, der ihrer inhaltlichen Position entspreche. Sollte der Gesetzentwurf vom Landtag beschlossen werden, schränke das den Spielraum bei der Flächenbereitstellung ein, heißt es dazu im Erfurter Energieministerium.

Aus der Bundesspitze der CDU hat sich bislang niemand zu den Plänen der Thüringer Fraktion geäußert. Parteichef Friedrich Merz hatte bei Amtsantritt betont, wer mit der AfD kooperiere, fliege raus. Aus der CDU-Zentrale hieß es auf Anfrage der taz am Donnerstag: „Nach wie vor gilt der Grundsatz-Beschluss unseres Parteitages: Jede Zusammenarbeit mit der AfD ist ausgeschlossen.“ Unabhängig davon sei das Einbringen von eigenen Anträgen elementarer Bestandteil der parlamentarischen Arbeit. Auch die CDU-Fraktion im Thüringischen Landtag stelle ihre Anträge zur Abstimmung. „Alle Landtagsabgeordneten entscheiden danach eigenständig darüber, wie sie sich dazu verhalten.“ Das hört sich nicht so an, als hätte die Thüringer CDU irgendwelche Konsequenzen zu befürchten.

Aktualisiert am 02.06.2022 um 15:50 Uhr. Ergänzt wurde das Statement der CDU-Zentrale. d. R.

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