Mieterhöhungen wegen Inflation: Das große Ganze und die ganz Großen

Der Dax-Konzern Vonovia hat wegen der Inflation Mieterhöhungen angekündigt. Der Volksentscheid zur Vergesellschaftung des Konzerns versandet derweil.

Verbotsschilder in einem Hof mit Wohnhäusern.

Ziemlich viele Regeln in einem Vonovia Wohnpark in Köln, außer für die Mieterhöhungen Foto: Horst Galuschka/dpa/picture alliance

Es sind harte Zeiten. Vor allem für diejenigen, die um ihre Profite fürchten müssen. Als der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im April angesichts der hohen Inflation warnte, dass „wir“ wohl „den Höhepunkt unseres Wohlstandes hinter uns“ hätten, wurde er kritisiert, dass sein „wir“ viel zu undifferenziert sei. Dabei war Merz so ehrlich wie möglich, denn er sprach konsequent von seinem Klassenstandpunkt aus: Mag zwar sein, dass Menschen weniger zu essen haben als ohnehin schon. Bei anderen aber geht es nicht nur um eine Packung Nudeln oder Butter mehr oder weniger. Es geht um große Profite, die geschmälert werden könnten. Wohlstand kann man nur verlieren, wenn man ihn hat!

Was Merz mit besorgter Voraussicht antizipierte, fand diese Woche dramatische Manifestation: Der DAX-Konzern Vonovia, Deutschlands größte Immobilienfirma, hat wegen der hohen Inflation Mieterhöhungen angekündigt. „Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen“, sagte Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch dem Handelsblatt. „Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht. Das wird nicht klappen.“

Der Immobilienriese mit rund 565.000 Wohnungen hat schließlich etwas zu verlieren: Im Pandemiejahr 2021 hat Vonovia rund 1,7 Milliarden Euro Gewinn erzielt und mit 1,66 Euro pro Aktie die höchste Dividende der Unternehmensgeschichte ausgezahlt. Während das Bedürfnis, über ausreichend Nahrungsmittel zu verfügen, ein für unsere Wirtschaftsweise vernachlässigbarer, banaler Wunsch irgendwelcher armer Teufel ist, spricht Vorstandschef Buch von der Notwendigkeit einer höheren Kraft: kein Kapitalismus ohne Profit.

Volksentscheid versandet

Zum Glück haben wir in Deutschland deshalb parteiübergreifend Politiker:innen, die das große Ganze beziehungsweise die ganz Großen im Blick haben – und sich nicht von menschlichen Bedürfnissen ablenken lassen: Po­li­ti­ke­r:in­nen wie die Berliner Regierende Bürgermeistern Franziska Giffey (SPD), die klüger ist als der naive demokratische Wille des Pöbels; Politiker:innen, die nicht untätig zuschauen, wenn die Mehrheit der Berliner Bevölkerung per Volksentscheid für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne wie Vonovia stimmt; die dafür sorgen, dass dieses Vorhaben derzeit auf dem besten Weg ist, in einer „Expertenkommission“ zu versanden.

Als gewissenhafte Volksvertreterin sollte man sich aber nicht einfach damit begnügen, das Schlimmste zu verhindern. Entsprechend hat Giffey am Wochenende wieder eine Idee im Sinne des großen Ganzen beziehungsweise der ganz Großen verkündet: Mieten sollen auf 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens begrenzt werden; eine öffentliche Prüfstelle soll helfen, das durchzusetzen. Damit dann auch wirklich kein Vermieter mehr arme Teufel in seine Wohnung lassen muss. Und damit die Vermieter mit bestem Gewissen nur noch an die Reichsten vermieten.

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Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.

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