Besuch von UN-Kommissarin in China: Zu schön, um wahr zu sein

UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet war in China – und schweigt ausgerechnet zur Verfolgung der Uiguren.

Chinas Präsident Xi Jinping und UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet bei einer Pressekonferenz Foto: reuters

Ein in China gern zitiertes Sprichwort lautet: „Einmal sehen ist besser als tausendmal hören.“ Doch damit dies auch wirklich zutrifft, ist ein ungehinderter Zugang nötig zu dem, was man sehen möchte. Sonst ist die Gefahr groß, einer Inszenierung auf den Leim zu gehen. Gerade das autoritäre China ist erfahren darin, dass offizielle Be­su­che­r*in­nen nur das zu sehen bekommen, was Peking möchte. Das Problem hatte schon eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation, die in Wuhan nach dem Ursprung der Coronapandemie suchen wollte.

Und so war es auch jetzt beim China-Besuch der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet. Der erste Besuch dieser Art seit 2005 war, wenig verwunderlich, von vorn bin hinten orchestriert. Nützlich kann ein solcher Termin trotzdem sein – sofern klargemacht wird, dass er eben Teil einer Inszenierung ist und viele Fragen aufgrund der Umstände nicht geklärt werden konnten. Diese offenen Fragen müssen dann auch benannt werden.

Doch Bachelet, die einst selbst in den Kerkern der Pinochet-Diktatur saß, hat bei ihrer Abschlusspressekonferenz die Lage in China und Xinjiang noch beschönigt. Dabei ist sie durchaus zu Kritik in der Lage, wie etwa kürzlich, als sie Putin in der Ukraine Kriegsverbrechen vorwarf oder jetzt sogar in China auf die Frage einer chinesischen Journalistin rassistische Polizeigewalt in den USA verurteilte. Doch zur Menschenrechtssituation in China sagte Bachelet nur, sie habe dort frei mit der Bevölkerung, Experten und Nichtregierungsorganisationen sprechen können.

Dabei nannte sie ihren Besuch selbst ein Politikum, das in einer Blase stattgefunden habe. Wer das Streben von Pekings Machthabern nach Kontrolle kennt, weiß, dass es für Bachelet keine freien Gespräche geben konnte, so wenig wie es in China und besonders in Xinjiang auch keine wirklich regierungsunabhängigen Organisationen gibt

Bachelet beschönigte aber auch, indem sie das Narrativ und die Begrifflichkeiten des Regimes übernahm. So ginge es in Xinjiang nur um Terrorbekämpfung. Die dortigen Lager, in denen zeitweilig rund eine Millionen Uiguren eingesperrt waren, nannte sie wie Peking euphemistisch „Ausbildungs- und Berufsbildungszentren“. Vom Vorwurf der Zwangsarbeit kein Wort. Und zu den durch viele Zeugen belegten Vorwürfen, dort würden systematisch Menschenrechte verletzt, manche westliche Regierungen sprechen von einem Genozid, sagte sie – nichts. Natürlich wird eine UN-Kommissarin bei so einem Besuch keine Folter bezeugen können. Aber belegte Vorwürfe zu verschweigen und stattdessen Pekings Version zu übernehmen, das hätten sich Chinas Machthaber kaum besser wünschen können.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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