Erneuerung der Christdemokraten: Nichts ist gut bei der CDU

Die zwei Wahlsiege der Christ­de­mo­kra­t:in­nen sind Momentaufnahmen. Der Partei steht ein schmerzhafter Erneuerungsprozess bevor.

Friedrich Merz und Hendrik Wuest

Klatschen für den Wahlsieger: Merz (l.) und Wüst Foto: Michele Tantussi/reuters

Der verbreiteste Gesichtsausdruck unter Christ­de­mo­kra­t:in­nen war in dieser Woche das Grinsen. Bei NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, gewöhnlich eher steif und mit sparsamer Mimik unterwegs, war es besonders auffällig. Aber egal auf wen man traf – Parteichef, Fraktionsgeschäftsführer oder einfache Abgeordnete – überall waren die Mundwinkel oben. Nach dramatischen Niederlagen hat die CDU innerhalb von acht Tagen die beiden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NRW deutlich gewonnen. Da kann man schon mal grinsen.

Dass Parteichef Friedrich Merz allerdings gleich behauptete: „Die CDU ist wieder zurück auf Platz eins unter den Parteien“ – das darf man wohl übertrieben nennen. Und es kann parteiintern auch so verstanden werden: Krise vorbei, alles wieder gut, wir können weitermachen wie bisher. Das ist für die CDU eine gefährliche Botschaft. Denn noch ist nichts gut. Der Erneuerungsprozess der CDU hat gerade erst begonnen.

Der Krieg in der Ukraine spielt, auch wenn es zynisch klingt, der CDU in die Hände. Die alten Themen der Union – Bundeswehr und Sicherheit, Westbindung und Nato – haben Hochkonjunktur und erfreuen sich breiter Zustimmung. Auch die schlechte Performance des Bundeskanzlers und seiner Verteidigungsministerin zahlen bei der CDU ein. Und mit der Idee, ein Sondervermögen für die Bundeswehr zu schaffen, das mit Hilfe von Unionsstimmen im Grundgesetz verankert werden soll, hat die Ampel CDU-Chef Friedrich Merz einen Hebel in die Hand gegeben, mit dem er der Regierung das Leben schwermachen kann.

Merz hat die CDU so weit beruhigt, dass Siegen überhaupt wieder möglich ist. Doch strukturell und inhaltlich verändert hat sich bislang wenig. Das sieht man selbst in NRW, wo die Christ­de­mo­kra­t:in­nen mit überraschend großem Vorsprung gewonnen haben. Im Vergleich zur Landtagswahl 2017 hat die Partei dennoch in absoluten Zahlen 250.000 Stimmen verloren. Bei den Kompetenzwerten ist sie eingebrochen – beim Kernthema Wirtschaft um 14 Prozent, bei Bildung und Verkehr fast genauso stark.

Der Erneuerungsprozess der CDU hat gerade erst begonnen

Die CDU ist für die jungen Wäh­le­r:in­nen weiter wenig attraktiv. Nicht mal jeder und jede Fünfte glaubt, die CDU sei die Partei, die die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft hat. Ohnehin fragen sich weiter viele, wofür die CDU überhaupt steht. Und die beiden neuen Fraktionen bieten ein ähnlich eintöniges Bild wie die alten: Sie werden von weißen Männern dominiert.

Die Siege in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind nicht mehr als eine Momentaufnahme. Der CDU steht weiter ein schmerzhafter Prozess bevor, inhaltlich wie strukturell. Sie muss die Fehler der Vergangenheit aufarbeiten, etwa in der Russland- und Energiepolitik. Allein damit, mit dem Finger auf die SPD zu zeigen, wird sie nicht durchkommen. Sie muss ihre Kompetenz in Zukunftsfragen verbreitern – Klima, Digitalisierung, Sozialpolitik – und diese auch auf die Straße bringen. Sie muss klären, welche Art von Volkspartei sie sein will und wo deren Grenze ist. Und sie muss sich diverser aufstellen.

Das kann nur gelingen, wenn Merz ausgerechnet seine konservativen An­hän­ge­r:in­nen und jene vom Wirtschaftsflügel enttäuscht, die ihn anfeuerten, auch noch ein drittes Mal für den Parteivorsitz zu kandidieren. Und es gleichzeitig schafft, seine früheren Geg­ne­r:in­nen weiter bei der Stange zu halten. Diese verhalten sich, von jahrelangen Querelen und dem Verlust der Macht bei der Bundestagswahl zermürbt, bislang ruhig. Merz allerdings hat in den ersten Monaten seines Parteivorsitzes auch integrativer gewirkt, als viele seiner Geg­ne­r:in­nen es ihm zugetraut hätten.

Mitte Juni steht ein erster Härtetest an. Dann berät der Bundesvorstand über die Frauenquote, über die auf dem Parteitag im Herbst entschieden werden soll. Viele von Merz’ Un­ter­stüt­ze­r:in­nen halten die Quote für „Gendergedöns“, wenn nicht gleich für Teufelszeug, es ist ein symbolträchtiges Thema. Der Parteichef hat sich öffentlich noch nicht festgelegt, doch man hört aus der Partei, er habe erkannt, dass die CDU ohne Quote ihr Frauenproblem nicht lösen wird. Die Frage ist, ob er sie auch durchsetzen wird. Für Merz wird das ein Balanceakt.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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