Betriebsratswahlen bei Spie angefochten: Mitbestimmung kommt von oben

Die Firma Spie zieht gegen ihre neu gewählten Betriebsräte vor Gericht. Die IG Metall wirft ihr Union Busting vor und kritisiert die Gewerkschaft CGM.

Arbeiter verlegen Kabel an einer Großbaustelle

Was gehört wohin? Das Gebäudetechnikfirma Spie will selbst über die Betriebsrätestruktur bestimmen Foto: Michael Kappeler/dpa

BREMEN taz | Eigentlich könnten sie loslegen mit ihrer Arbeit, die Betriebsräte der Firma Spie. Ende März hat die Belegschaft in den Betrieben Ver­tre­te­r*in­nen für die Mitbestimmung im Betrieb gewählt – doch Spie, ein französisches Unternehmen für Gebäudetechnik, hat die Wahlen nicht anerkannt.

Vor Arbeitsgerichten in ganz Deutschland ficht sie aktuell die neuen Betriebsräte an. „Union Busting“, also die systematische Behinderung von Betriebsratsarbeit, wirft die Industriegewerkschaft (IG) Metall für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt dem Unternehmen deshalb vor.

Für das Unternehmen Spie sind die Wahlen illegitim: Betriebsratswahlen soll es zwar geben dürfen, aber nicht in jedem Betrieb – wie es üblicherweise die Betriebsratsverfassung vorsieht – sondern jeweils gesammelt für die vier größeren Bezirke, in die das Unternehmen aufgeteilt ist: Nord, Ost, Süd und West. Für die Abweichung vom üblichen Prozedere verweist Spie auf einen Strukturtarifvertrag, der am 17. Dezember mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) geschlossen worden ist.

Genau an diesem Tarifvertrag entzündet sich der Streit mit der IG Metall. „Er dürfte nicht gelten“, meint Gewerkschaftssekretär und Spie-Betriebsvertreter Gunnar Reichwaldt, „man hat uns gelinkt“. Die Vorwürfe: Die CGM als „Pseudogewerkschaft“ habe im Strukturtarifvertrag einfach all dem zugestimmt, was der Arbeitgeber wollte. Und überdies habe die Firma Spie die Gültigkeit des Tarifvertrags über einen Trick von einem Betrieb auf das ganze Unternehmen ausgeweitet.

Arbeitgeber sucht sich neue Gewerkschaft

Noch im vergangenen Winter hatte die IG Metall selbst mit Betriebsräten und der Spie-Geschäftsführung über einen neuen Strukturtarifvertrag verhandelt; der sollte klären, wie in Zukunft die Betriebsratsarbeit organisiert werden könnte: Wieviele Betriebe wählen einen gemeinsamen Betriebsrat? Wie stellt man sicher, dass die Betriebsräte Kontakt zu allen Betriebsteilen haben? Und wieviele Betriebsratsmitglieder müssen dafür von ihrer sonstigen Arbeit freigestellt werden?

Als man sich nicht einig wurde, wurden die Verhandlungen am 16. Dezember abgebrochen. Nur einen Tag später präsentierte das Unternehmen einen neuen Strukturtarifvertrag – geschlossen mit der CGM.

Deren Geschichte mit der IG Metall ist alt: Schon 2003 warf die IG Metall der christlichen Arbeitnehmervertretung vor, eine arbeitgeberfreundliche Pseudogewerkschaft zu sein. Vor Gericht bestritt sie das Recht der CGM, Tarifverträge zu verhandeln – die Gewerkschaft habe zu wenige Mitglieder, um sich gegenüber Arbeitgebern durchzusetzen. In der ersten Instanz bekam die IG Metall recht, später wurde das Urteil kassiert.

Zahl der CGM-Mitglieder bei Spie: Unbekannt

Im Fall Spie jedenfalls treffe der alte Vorwurf voll zu, findet der Metaller Reichwaldt: Erstens biete der neue Tarifvertrag nichts, was Arbeitnehmerrechte stärken könnte; und zweitens sei die CGM in den Spie-Betrieben schlicht nicht verankert. „Ich vermute eine einstellige Zahl an Mitgliedern“, sagt der IG Metall-Betriebsvertreter Reichwaldt. „Persönlich kenne ich keinen einzigen.“

Die CGM selbst kann auf Anfrage nicht zeitnah mitteilen, wie viele Spie-Beschäftigte sie eigentlich vertritt. Den Vorwurf der Pseudogewerkschaft weist sie zurück: „Dass wir nicht jede Möglichkeit zum Arbeitskampf aufnehmen, heißt nicht, dass wir nicht arbeitnehmerfreundlich sind“, sagt Pressesprecher Daniel Horvath.

Am Vorgehen von Spie hat die IG Metall noch weitere Kritik: Geschlossen worden war der Strukturtarifvertrag zunächst nur mit einem Betriebsteil aus Hannover, der Spie Comnet. Der nächste Schritt von Seiten der Unternehmensführung folgte nur wenig später: mehrere Teilunternehmen, Spie Telba, Spie Fleischhauer, Spie Comnet und Lewron wurden verschmolzen – zunächst unter dem Namen Spie Comnet. Der Tarifvertrag mit CGM aus Hannover gelte jetzt für alle Betriebsteile, so die Argumentation der Geschäftsführung. „Ein Taschenspielertrick“, sagt Reichwaldt.

Mehr Mit­ar­bei­te­r*in­nen vom Betriebsrat vertreten

Die Geschäftsführung von Spie unterstellt der IG Metall andere Gründe für ihren Vorwurf: Unternehmenssprecherin Constanze Blattmann erwähnt „die offensichtlich bestehende Wettbewerbssituation zwischen einzelnen Gewerkschaften“. Tatsächlich, sagt Blattmann, biete die neue Regelung doch mehr Mitbestimmung: „260 noch nicht vertretene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durch Mitbestimmungsgremien vertreten und es wird mehr freigestellte Betriebsräte geben.“

In der Tat kann ein Betriebsrat für mehrere Betriebsteile auch Vorteile für die Beschäftigten mit sich bringen: Wenn mehr als 200 Beschäftigte vertreten werden, wird eine Person im Betriebsrat komplett für die Betriebsratsarbeit freigestellt.

Doch im Fall von Spie hatte es schon in der Vergangenheit eine Zusammenlegung von Betrieben im Betriebsrat gegeben – und Schwierigkeiten damit, so erzählt es Reichwaldt: Die Vertretung der Beschäftigten über die große Entfernung war kompliziert.

Bedingung für einen gemeinsamen Betriebsrat über mehrere Betriebe wäre für die IG Metall und den Betriebsrat deshalb gewesen, dass zusätzliche Freistellungen, etwa für Ausbildungsvertreter*innen, angeboten worden wären. Im neuen Strukturtarifvertrag mit der CGM ist das kein Thema.

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