1. Mai-Demos in Hamburg: Wer kann, der demonstriert

Enteignen und Würstchen essen, Demos vor der Elbphilharmonie und am Fischmarkt: So lief der 1. Mai in Hamburg.

Ein goldenes Transparent, auf dem "Wer hat, der gibt" steht. Im Hintergrund der Backsteinsockel der Elbphilharmonie

Mit Glamour gegen Reichtum: Die „Wer hat, der gibt“-Demo in Hamburg Foto: Andrea Maestro

HAMBURG taz | Zumindest punktuell sorgt die „Wer hat, der gibt“-Demo in der Hamburger Hafencity für Irritationen. „Nochmal, wir zahlen für deren Renten“, sagt ein Mittvierziger, der sich sichtbar bemüht, trotz ergrauter Schläfen weiter lässig auszusehen, zu seinen Freunden am Straßenrand. „Gegen Kapitalismus sein und trotzdem Markenklamotten tragen. Guck mal“, sagt er und zeigt auf die mehrheitlich schwarz gekleideten Menschen im Antifablock. Er dürfte mit diesem Mindset genau die Zielgruppe sein, die die Ver­an­stal­te­r:in­nen der Demo im Sinn hatten, als sie die Route wählten.

„Wer hat, der gibt. Wer nicht gibt, wird enteignet“, schallt es aus den Lautsprechern. Bei der Begrüßung, direkt vor der Elbphilharmonie sagt eine der Organisator:innen: „Willkommen in Hamburgs Vorzeigestadtviertel.“ Hier studiere die künftige Elite an privaten Hochschulen, hier seien die Start-Up-Yuppies zu Hause, hier habe der Senat sein Versprechen zu bezahlbaren Mieten gebrochen. Es ist der Ort in Hamburg, um gegen Reichtum und für Umverteilung zu demonstrieren. „Schluss mit der Politik für Bonzen“, ruft die Sprecherin in ihr Mikro.

Laut Polizei waren rund 800 Teil­neh­me­r:in­nen dabei – und das so friedlich, dass unter den Scheibenwischern der an der Route geparkten Benz-Limousinen und Audi-SUV nicht mal Flyer steckten. Die Ver­an­stal­te­r:in­nen gingen von mindestens 2.000 Demonstrierenden aus.

Patrick Walkowiak trägt Zylinder und eine dicke goldene Dollar-Kette: „Für Rüstung ist Geld da, aber nicht für Pflegeberufe. Und man muss sich hier nur umsehen. Das Geld ist ja da.“ Die Lösung sei simpel: Eine Vermögenssteuer.

Ver.di kämpft für Er­zie­he­r:in­nen

Am Fischmarkt auf St. Pauli ist die Stimmung eine andere. Es gibt Würstchen und Fischbrötchen, die Gewerkschaften haben Stände und eine Bühne aufgebaut. Bei der IG Metall gibt es Quietscheentchen, die IG BCE hat ein Glücksrad, zumindest Ver.di kämpft von außen sichtbar für ein konkretes Ziel. Die Elbkinder-Kitas stecken mitten im Tarifkonflikt. „Einerseits klatschen, aber nicht die Arbeit bezahlen“, sagt Erzieherin Andrea Müffelmann. Sie findet, dass sozialen Berufen insgesamt nicht genügend Wertschätzung entgegengebracht werde. Deshalb ist sie hier.

Laut Deutschem Gewerkschaftsbund waren in Hamburg bei den DGB-Verantsaltungen knapp 6.700 Menschen auf der Straße. Mathias Weidner sticht in seiner orangefarbenen Lieferando-Jacke aus der Demomasse hervor. „Es ist schwierig, sich zu organisieren“, sagt der Betriebsrat. Die klassischen Gewerkschaftsstrukturen passten eigentlich nicht zu seiner Belegschaft. Aber zum 1. Mai kämen viele. Ein guter Ort, um sich zu treffen – und mehr als Folklore.

Auf der DGB-Demo, die zum Fischmarkt zieht, wird es vor allem im hinteren Teil laut. Hier laufen die Jugendorganisationen der Gewerkschaften. „Junge Menschen haben in der Coronakrise am meisten gelitten“, sagt Joseph Streibl, Jugendreferent der IG BCE. Jetzt gehe es darum, ihre Belange sichtbar zu machen. Die Gewerkschaftsjugenden hatten auch selbst zur Demo aufgerufen. Das Motto: „Die Krise heißt Kapitalismus.“ Das ist von „Wer hat, der gibt“ gar nicht weit entfernt.

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