Waffenlieferungen und Sondervermögen: Ampel unter Druck

Wie soll Deutschland der Ukraine helfen? Darüber gibt es Streit zwischen Regierung und CDU/CSU. Knackpunkt ist das Sondervermögen für die Bundeswehr.

Christine Lambrecht seht im Bundestag neben einem Mann mit UNiform. Sie wirkt gestresst, er stemmt forsch die Hände in die Hüften, aber man sieht seinen Gesichtsausdruck nicht, wegen Mund-Nasen-Schutz

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht neben einem Vertreter der Bundeswehr Foto: Frederic Kern/imago

BERLIN taz | Als es am Donnerstag Vormittag zur Abstimmung geht, sind sich Ampel und Union für einen Moment einig. Eine Neinstimme aus der CDU, drei Enthaltungen bei FDP und Grünen, sonst stimmen alle zu: Mit großer Mehrheit geht im Bundestag der gemeinsame Antrag zur Unterstützung der Ukraine durch. Das Parlament begrüße die Waffenlieferungen, die die Bundesregierung bereits beschlossen hat, steht unter anderem darin. Und: In Zukunft solle sie nach Möglichkeit noch mehr und auch mehr schwere Waffen liefern. Bindend ist dieser Beschluss nicht, aber er hat symbolische Wirkung. Ein kurzer Schulterschluss der Koalition mit der größten Opposi­tions­fraktion.

Aber auch nur ein ganz kurzer. In der Debatte, die der Abstimmung am Morgen vorangeht, werden die Differenzen einmal mehr offenbar. Als erster bringt Friedrich Merz Schärfe ins Plenum. „Zögern, Zaudern, Ängstlichkeit“, wirft der CDU-Chef dem Bundeskanzler vor. Über Wochen habe Olaf Scholz Fragen nach Waffenlieferungen „offengelassen und ausweichend beantwortet“. Aus Sicht der Union ist es ihr Verdienst, dass die Bundesregierung in dieser Woche erstmals den Export schwerer Waffen in die Ukraine genehmigt hat. Tatsächlich hatten CDU und CSU Druck gemacht. Schon letzte Woche hatte sie in einem Antragsentwurf radikale Forderungen erhoben, etwa nach der Lieferung von Leopard-2-Panzern aus Bundeswehrbeständen. Im Bundestag reagierte die Koalition zunächst mit einem eigenen, weicher formulierten Gegenantrag. Auf dessen Basis einigten sich beide Seiten dann auf die gemeinsame, am ­Donnerstag verabschiedete Version.

Merz verweist aber nicht nur auf den Druck der Union, sondern auch auf die Bruchlinien innerhalb der Koalition. „Das Problem für den Bundeskanzler war und ist bis zum heutigen Tag die Kritik aus den eigenen Reihen“, sagt er, und legt damit den Finger in die Wunde. Er meint die kleine Gruppe um den Grünen Toni Hofreiter, die laut und konfrontativ für die Lieferung schwerer Waffen geworben und damit innerhalb der Koalition viel Zorn auf sich gezogen hatten.

Ginge es aber nur um die Waffenlieferungen: Die Ampel könnte solche Sticheleien der Union gut als Oppositionsgenörgel abtun. Die Koalition sei bei den schweren Waffen ja keineswegs unentschieden und zögerlich gewesen, argumentieren ihre Vertreter*innen. Aber gut Ding wolle eben Weile haben. In den Worten der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann: „Wir wägen ab, wir zweifeln, ja, und wir hadern – aber wir entscheiden.“

Wortgefecht zwischen Klingbeil und Merz

Schwieriger sind für die Koalition die Differenzen über das Sondervermögen für die Bundeswehr, bei der sie anders als bei den Waffenlieferungen Stimmen der Union benötigt. Um, wie geplant, Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Verteidigungspolitik aufnehmen zu können, will die Ampel das Grundgesetz ändern. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im gemeinsamen Antrag vom Donnerstag bekennt sich die Union zwar grundsätzlich zum Sondervermögen. Details sind darin aber ausgeklammert. Auf die kommt es aber an.

Andreas Schwarz, SPD

„Zwei Prozent in die Verteidigung stecken: Das hat im Grundgesetz nichts zu suchen“

CDU und CSU haben schon vor Wochen Bedingungen für ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung aufgestellt. Merz erinnert am Donnerstag noch mal daran. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wir sind zu keinem dieser Punkte bisher übereingekommen“, sagt er.

SPD-Chef Lars Klingbeil antwortet später angriffslustig. „Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden“, sagt er. Dafür sei „hier kein Platz“. Im rhetorischen Schlagabtausch gelingt Klingbeil damit der Ausgleich, die Streitpunkte löst er damit aber auch nicht.

Am schwersten wiegt die Frage, ob Deutschland dauerhaft zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft in die Verteidigung stecken soll, wie es in der Nato vereinbart ist. Die Koalition ist dagegen, die Quote in der Verfassung festzuschreiben. „Das hat im Grundgesetz nichts zu suchen“, so SPD-Haushälter Andreas Schwarz zur taz. „Das würde nachfolgenden Parlamenten Spielraum bei der Haushaltsführung nehmen und letztendlich dem Parlament das Recht nehmen, den Haushalt zu gestalten.“ Wer dauerhaft zwei Prozent erreichen möchte, müsse sie jedes Jahr wieder in den Haushalt schreiben und nicht ins Grundgesetz, so Schwarz.

Geld, das für Sozialausgaben gebraucht wird

Doch genau darum geht es der Union ja. Sie möchte den Verteidigungsetat erhöhen, zusätzlich zum Sondervermögen. Das würde aktuell bedeuten, dass zu den 50,3 Milliarden, die für den Verteidigungsetat eingeplant sind, noch einmal über 20 Milliarden pro Jahr kämen. Geld, das anderswo eingespart werden müsste. Die SPD will das verhindern. Denn die Erzählung, mit der die Führung die Partei hinter sich versammelt, lautet: Wir können, wie geplant, Mindestlöhne erhöhen, die Kindergrundsicherung einführen und ein Bürgergeld beschließen, weil die Mehrausgaben für die Bundeswehr ja aus dem Sondertopf bezahlt werden.

Schwarz sieht die Einhaltung dieses Versprechens als Chefsache an. „Der Bundeskanzler spielt immer eine Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass das auch hier der Fall sein wird.“ Derzeit verhandelt ein anderer federführend für die Ampel mit der Union: Finanzminister Christian Lindner.

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