EU-Kommission plant Ölembargo: Koalition der Willigen

Zeit ist bei den Sanktionen von großer Wichtigkeit. Die Staaten, die das Ölembargo befürworten, sollten sich von den Gegnern nicht aufhalten lassen.

Ölpumpe im Schnee

Eine Ölpumpe am Rande der russischen Stadt Surgut Foto: Alexei Andronov/ITAR-TASS/imago

Dass die Europäische Union langsam aber sicher zum eigentlichen Kern der Sanktionen vorstößt, dorthin, wo es wirklich wehtut – nicht nur Moskau, sondern den EU-Staaten selbst – zeigt sich derzeit bei der Diskussion um das geplante Ölembargo. Geht es nach der EU-Kommission, soll in sechs Monaten kein russisches Öl mehr nach Europa fließen. Bis Ende des Jahres will sie auch Ölprodukte verbieten.

Alle 27 Mitgliedsländer müssen dem zustimmen, doch wie erwartet sträuben sich Ungarn und die Slowakei – beide Staaten beziehen ohnehin wenig Öl aus Russland. Auch Tschechien und Bulgarien wollen sich dem Embargo nicht anschließen. Zu groß sei die Abhängigkeit von Moskau. Nun wird um Ausnahmeregelungen gefeilscht. Die Einigkeit der EU steht auf dem Spiel. Doch ist das wirklich so schlimm?

Fakt ist: Das Ölembargo ist der richtige Schritt, denn es zielt auf den Kern der Macht in Russland ab, es schädigt das engste Umfeld Wladimir Putins. Der russische Staatshaushalt hängt maßgeblich vom Erdöl ab – und damit auch Moskaus Kriegsmaschinerie in der Ukraine. Im vergangenen Jahr machten Erlöse aus Öl und Gas rund 36 Prozent des russischen Etats aus, der Großteil lag dabei mit 180 Milliarden US-Dollar beim Geschäft mit dem Erdöl.

Einige Kri­ti­ke­r:in­nen des Embargos sehen genau hier das Problem. Das europäische Verbot würde die internationalen Preise für Erdöl in die Höhe treiben. Neue Käufer, allen voran in China und Indien, würde Moskau schon irgendwie finden. Doch so einfach ist das nicht. Denn die Pipelines in Richtung Süden und Osten sind schon jetzt am Limit. Damit Russland nicht noch schnell neue Wege und Abnehmer erschließen kann, ist beim Sanktionspaket Nummer 6 der Faktor Zeit also entscheidend.

Die EU muss ihr Embargo in Windeseile auf den Weg bringen. Das aktuelle Gefeilsche in Brüssel um Ausnahmeregelungen gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass das auch geschieht. Doch eines ist diesmal anders: Deutschland, bislang der ewige Zauderer, was Energiesanktionen angeht, tritt nun aufs Gaspedal und hat das Ölembargo sogar selbst vorgeschlagen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Deutschland satte 9 Milliarden Euro für Kohle, Öl und Gas an Russland überwiesen.

Sanktionen, die Putin wehtun

Doch jüngst hat Wirtschaftsminister Robert Habeck verkündet, man habe die Abhängigkeit vom russischen Öl von 35 auf 12 Prozent verringern können. Der Verzicht auf diese Energie scheint nicht mehr utopisch. Warum also nicht genau das auf eigene Faust tun? Verbündete in Europa ließen sich sicher finden. Den Polen und Balten geht das Embargo sowieso nicht schnell genug, sie fordern schon lange den sofortigen Ölstopp.

Die anderen größten Abnehmer, darunter die Niederlande, Italien und Finnland, könnten ebenso überzeugt werden, eine „Koalition der Willigen“ zu bilden und den russischen Ölhahn in ihre Länder kurzerhand abzudrehen. Ein solches schnelles Handeln würde Russland empfindlich schaden. Zwar ist es eine Schwäche von Sanktionen, dass sie erst langfristig wirken. Trotzdem steigen schon jetzt die Preise, vor allem in der Industrie und Logistik.

Versuche einer „Koalition der Willigen“ gab es in der Vergangenheit bereits in Asylfragen. Weil die Reform des EU-Asylsystems seit Jahren hakt, hatte sich eine Gruppe von Staaten – darunter Deutschland – bereit­erklärt, Flüchtende etwa nach dem Brand auf der griechischen Insel Moria bei sich aufzunehmen. Der Erfolg war zugegebenermaßen überschaubar. Aber das Beispiel zeigt, dass Einzelwege und Kooperationen in der EU möglich, laut den EU-Verträgen sogar gewünscht sind, vor allem, wenn die Zeit drängt – so wie es im Ukrainekrieg der Fall ist.

Wenn Länder wie Deutschland den noch „Unwilligen“ vorleben, wie sie ohne russisches Öl klarkommen, wie sie Erneuerbare fördern und Energie sparen, könnten Wackelkandidaten wie die Slowakei nachziehen und sich dem Embargo anschließen. Ein Versuch wäre es allemal wert. Den Menschen in der Ukraine, die tagtäglich unter Beschuss und Kriegsverbrechen leiden, ist es die EU schuldig.

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Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.

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