Diskussion um Lebensmittel-Spenden: Aufschnitt für alle

Niemand sollte gezwungen sein, von abgelaufenen Lebensmitteln satt zu werden. Denn das Mindeshaltbarkeitsdatum ist Teil unserer Esskultur.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Joghurts ist auf dessen Deckel in einer Küche in Berlin zu sehen

Geht der noch? Nut­ze­r*in­nen der Tafel müssen sich das öfter fragen Foto: dpa / Tim Brakemeier

Ein Joghurt, der fünf Tage drüber ist? Das kann man doch noch essen, wird der ein oder andere Leser denken. Denn das Mindeshaltbarkeitsdatum ist kein Verbrauchsdatum und sagt nur, bis wann der Hersteller eine gewisse Qualität garantiert. Also mit dem Finger reinstippen und schmecken oder daran riechen.

Nur ist das ist nicht jedermanns Sache. Nicht jeder traut sich zu, den Unterschied zwischen „noch gut“ oder „nicht mehr gut“ zu erkennen. Nicht jeder mag das. Manchen ekelt es. Es ist Teil unserer Esskultur, auf diese Mindeshaltbarkeitsdaten zu vertrauen. Wer freiwillig zugreift bei abgelaufenen Produkten, mag das tun. Nur sollte niemand darauf angewiesen sein, weil er arm ist.

An den Tafeln engagieren sich Ehrenamtliche in freundlicher Weise. Sie stehen an vorderster Front der Armutsbekämpfung und tun ihr Bestes. Aber es muss im Sozialstaat möglich sein, dass die Menschen auch ohne die Tafeln satt werden. Der Kaufkraftverlust durch gestiegene Preise gehört sofort ausgeglichen. Hier ist der Staat gefordert. Denn kosten Nudeln 30 Cent mehr, ist das für Reiche ein Witz, für Arme ein Drama.

Es kann gut sein, dass es wegen Corona der praktikabelste Weg ist, die Tafel-Lebensmittel in Tüten zu verteilen. Die Pandemie ist eine zugespitzte Situation. Aber es ist gut, dass in Hamburg die meisten Ausgabestellen wieder die Menschen die Sachen aussuchen lassen. So können sie auch selbst entscheiden, ob sie in ihren Taschen abgelaufene Lebensmittel nach Hause tragen.

Die Tafeln haben das Ziel, Lebensmittel zu retten und Bedürftigen zu helfen. Also zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wenn man nun hört, dass die Supermärkte besser planen und versuchen, weniger Reste zu haben, ist das erfreulich, bedeutet aber erst recht, dass wir Armut anders bekämpfen müssen.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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