Fehlstart der Opposition: Schneller Wechsel an der Saar

Die künftige Ministerpräsidentin Rehlinger (SPD) hat es eilig. CDU und AfD stehen indessen vor Zerreißproben.

Schlägt sich mit Parteiausschlussverfahren herum: Christoph Schaufert (AfD), hier 2020 Foto: Imago

SAARBRÜCKEN taz | Das Saarland steht vor einem zügigen Regierungswechsel. Im neuen Landtag verfügt die SPD mit 29 von 51 Abgeordneten über eine satte absolute Mehrheit. Schon am 25. April will sich die erfolgreiche SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Ihren bisherigen Koalitionspartner CDU schickt sie dann in die Opposition. Die CDU, die seit 23 Jahren ununterbrochen die MinisterpräsidentInnen gestellt hat, muss sich die Oppositionsrolle mit den Rechtspopulisten von der AfD teilen. Beide Parteien wirken einstweilen überfordert.

Wer wird für die CDU im Landtag auf Rehlingers Regierungserklärung antworten? Schon diese einfache Frage bringt die Partei in Verlegenheit. Klar ist lediglich, dass der abgewählte Ministerpräsident Tobias Hans nach seiner Wahlniederlage den CDU-Landesvorsitz abgibt. Für die Nachfolge hat Landtagspräsident Stephan Toscani seinen Hut in den Ring geworfen. Aus den Führungsgremien der Partei war verlautet, in Zukunft solle Partei- und Landtagsfraktionsvorsitz in einer Person gebündelt werden. Doch mit Noch-Finanzminister Peter Strobel hat einer der Granden der Saar-CDU diese stillschweigende Vereinbarung öffentlich in Frage gestellt. Erst ein Landesparteitag am 25 Mai wird die Frage endgültig klären.

Wer darf also als erster in der neuen Rolle des CDU-Oppositionsführers das Wort ergreifen? „Wer wann zu welchem Tagesordnungspunkt im Plenum spricht, wird in einer gesonderten Fraktionssitzung nach Ostern besprochen,“ so die Antwort der CDU-Landtagsfraktion auf taz-Anfrage. Bei der „kleinen“ Oppositionspartei AfD scheint die Lage nur auf den ersten Blick klar. Die drei Herren, die für die AfD in den neuen Landtag einziehen, waren bereits vor der Wahl heillos zerstritten. Zwei von ihnen, der Abgeordnete Josef Dörr, 83, und Christoph Schaufert, 52, schlagen sich mit Parteiausschlussverfahren herum; der Dritte im Bunde, Carsten Becker, 32, muss ebenfalls mit einem solchen Verfahren rechnen.

Der AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla war in der vergangenen Woche persönlich an die Saar gereist, um die drei streitbaren Herren zu einem Zusammenschluss zu bewegen. Nur als Fraktion hat die AfD Anspruch auf Gelder und Mitwirkungsrechte in der neuen Legislaturperiode. Nach der nun getroffenen Vereinbarung soll offenbar der bisherige AfD-Fraktionschef Josef Dörr, 83, auch Vorsitzender des neuen Dreierbundes werden, sein parteiinterner Rivale Schaufert wird Stellvertreter und Becker parlamentarischer Geschäftsführer. Mit dieser Vereinbarung sichern sich die Abgeordneten zusätzlich zu ihren üppigen Diäten Funktionszulagen, Parteisenior Dörr steht sogar ein Dienstwagen mit Fahrer zu.

Brüchiger Burgfrieden

Allerdings gilt der Burgfrieden als brüchig. Alle drei Fraktionskollegen kämpfen nach wie vor um ihre AfD-Mitgliedsrechte. Schaufert und Becker waren bei einem Coup beteiligt, der die Partei noch immer zu zerreißen droht. Beide gehörten zu einem halben Dutzend Funktionären, die unmittelbar vor der Wahl die offizielle AfD-Landesliste zurückgezogen hatten. „Lieber kein Wiedereinzug in den Landtag, als weitere 5 Jahre Fremdschämen! Lieber keine Landesliste, als eine Landesliste mit Steigbügelhaltern für Josef Dörr!“ hatten die Parteirebellen um Schaufert und Becker formuliert.

Der AfD-Vorstand wertete das als parteischädigendes Verhalten und entzog Schaufert postwendend die Mitgliedsrechte. Ausgerechnet mit Dörr schließen nun seine Kritiker ein Bündnis. Als Alterspräsident wird der 83-Jährige die konstituierende Sitzung des neuen Landtags eröffnen, als dem Fraktionsvorsitzenden steht ihm das erste Wort zur Erwiderung auf die Regierungserklärung zu. Was hat der Bundesvorsitzende Chrupalla den Kontrahenten wohl angeboten, um dieses Bündnis zustande zu bringen?

Das fragen sich viele AfD-Mitglieder im Landesverband. In die „Friedensverhandlungen“ war der vom Bundesvorstand eingesetzte, saarländische „Notverstand“ ausdrücklich nicht eingebunden. Dessen Vorsitzender, der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth, erklärte gegenüber der taz: „Der Notvorstand, dem auch die Bundesvorstandsmitglieder Carsten Hütter und Joachim Paul angehören, haben sich klar positioniert, nämlich dass hinsichtlich der Parteiausschlussverfahren bei den Vertragsverhandlungen keine Zugeständnisse gemacht werden dürfen“.

Einstimmig habe der Landesvorstand den Parteiausschluss „aller Mitglieder und Funktionsträger aus der Partei“ gefordert, die die Rücknahme der Landesliste befürwortet hätten, so der Volljurist Wirth. Hat sich Schlichter Chrupalla über diese Beschlüsse hinweggesetzt? Auf diese taz-Anfrage antwortete weder er, noch seine Pressestelle.

Unterstützung von „A.M.“

Drei Tage vor der Landtagswahl hatte die taz zudem enthüllt, dass sich Landtagskandidat Schaufert in seinem Wahlkampf von der glühenden Hitler-Verehrerin A.M. unterstützen ließ. Im Januar 2021 hatte sie auf Facebook den „Führer“ an dessen Geburtstag als „Befreier Deutschlands“ gefeiert. Sie war deshalb aus der AfD ausgeschlossen worden. Schaufert verteidigte gleichwohl ihre Wahlkampfhilfe. „Insoweit behandle ich niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er bei mir am Infostand (ohne Funktion, einfach als Gast) auftaucht“, schrieb er der taz unter Berufung auf die „Unschuldsvermutung“. Dass seine Helferin in dem umstrittenen Chatverlauf auch noch Fotos des „Führers“, Hakenkreuze und NS-Landser gepostet hatte, ließ er unkommentiert.

Den taz-Artikel über diese skandalöse Wahlkampfhilfe verbreitet noch vor der Landtagswahl der AfD-Notvorsitzende Wirth im Internet. Sein AfD-Vorstandskollege, der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter, lobt den Artikel: „Gut geschrieben, hätte ich der Taz gar nicht zugetraut“, und der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul ergänzt: „Habe im Umlauf mit Ja gestimmt“. Er spielt damit auf den „Umlaufbeschluss“ an, mit dem Schaufert die Mitgliedsrechte entzogen wurden. An der Saar fragen führende AfD-Mitglieder: Hat Chrupalla die Parteiverfahren erledigt? Ein führender Kopf der Saar-AfD berichtet der taz am Telefon von ersten Parteiaustritten und klagt über „stalinistische Verhältnisse“. Ein anderer hatte bereits vor der Landtagswahl gemutmaßt: „Es geht nicht um Politik, sondern um Geld und Posten!“

Anmerkung der Redaktion: Im Text wurde nachträglich ein Zitat des AfD-Politikers Christoph Schaufert wie folgt geändert: „Insoweit behandle ich niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er bei mir am Infostand (ohne Funktion, einfach als Gast) auftaucht.“ Vorher hatte es im Text geheißen: „Insoweit behandle ich niemanden wie einen Aussätzigen, wenn er am Infostand hilft.“

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Am 27. März 2022 hat das Saarland einen neuen Landtag gewählt: Die SPD ist klare Siegerin. Daneben ziehen nur CDU und AfD in den neuen Landtag ein. Die Linkspartei, die Grünen und die FDP scheitern an der 5-Prozent-Hürde. Wer hat wie viele Prozentpunkte gewonnen? Wer verloren? Und wohin sind die Wäh­le­r:in­nen gewandert? Wie wurde in den Wahlkreisen gewählt?

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