Asylpolitik in Großbritannien: Vom Schlauchboot nach Ruanda

Die britische Regierung will Asylbewerber:innen, die illegal auf die Insel gelangen, per Flugzeug nach Ruanda schicken. Dort sollen sie bleiben.

Die britische Innenministerin Priti Patel schüttelt mit dem ruandischen Außenminister Vincent Birutaare die Hand

Ruanda bekommt für die Aufnahme von Geflüchteten von London rund 145 Millionen Euro pro Jahr Foto: Jean Bizimana/reuters

LONDON taz | Großbritannien will illegal ins Land gelangte Asyl­be­wer­be­r:in­nen künftig nach Ruanda bringen. Ein entsprechendes Abkommen mit dem ostafrikanischen Land gaben der britische Premierminister Boris Johnson und die Regierung in Kigali am Donnerstag bekannt.

Erfassen sollen die Maßnahmen rückwirkend zum 1.1.2022 „die meisten Personen, die auf Schlauchbooten den Ärmelkanal überqueren“, detaillierte Innenministerin Priti Patel zu dem für fünf Jahre geltenden Abkommen zwischen Ruanda und dem Vereinigten Königreich. Dafür, dass Ruanda die Personen bei sich aufnehme und bestätigten Flüchtlingen einzig in Ruanda Asyl gewähre, soll das zentralafrikanische Land von der britischen Regierung umgerechnet 145 Millionen Euro pro Jahr erhalten.

Die britische Regierung versucht seit Jahren ohne großen Erfolg, den zunehmenden Trend der Kanalbootüberquerungen zu bremsen. Mit weiteren ebenfalls am Donnerstag angekündigten Investitionen soll nun auch die britische Marine bei der Ortung von Booten helfen.

Zusätzlich kündigte die britische Regierung neue Aufnahmezentren „nach griechischen Modell“ an. Ausgediente Kasernen, etwa im Norden Englands, sollen dazu dienen. Derzeit werden die meisten Asyl­be­wer­be­r:in­nen nach ihrer Aufnahme noch in Herbergen und Hotels untergebracht. Laut Johnson koste das umgerechnet sechs Millionen Euro pro Tag.

Kritik von allen Seiten

Bei den meisten der Menschen, die den Ärmelkanal überquerten, handele es sich um Männer, die sich durch die illegale Einreise gegenüber anderen potenziell Asylberechtigten vordrängeln würden, hieß es. Von den Abschiebungen seien Kinder und Familien jedoch ausgenommen.

Entgegen der Einschätzung vieler Ex­per­t:in­nen und selbst des britischen Außenministeriums, das sich noch vor einem Jahr ganz anders äußerte, beschreiben Premier Boris Johnson und Innenministerin Patel Ruanda nunmehr als „eines der sichersten Länder der Welt“.

Britische Hilfsorganisationen halten die Pläne für nicht vollstreckbar und inhuman und unterstreichen den Mangel an legalen Einreiserouten für Flüchtlinge. Für die Opposition sind die Vorhaben rein politisch motiviert, um Johnson und den Konservativen, die noch Anfang der Woche durch die Partygate-Affäre arg gelitten haben, vor den Regionalwahlen am 5. Mai zu stärken.

Doch auch Konservative kritisierten die Maßnahmen. Andrew Mitchell, dessen Aufgabe derzeit der Vollzug des konservativen Fraktionszwangs ist, behauptete, es wäre billiger, die Menschen im Londoner Luxushotel Ritz oder im Eliteinternat Eton unterzubringen. Die ehemalige konservative Parteivorsitzende Sayeeda Warsi sprach von einem ineffektiven, teueren Weg, der nicht nur inhuman sei und die stolze britische Tradition als Schützer von Menschenrechten und der Flüchtlingskonvention schände, sondern auch „zynisch und politisch“.

Stephanie Boyce, die Präsidentin der Law-Society, eine Organisation, welche alle englischen und walisischen An­wäl­t:in­nen vertritt, fragte sich hingegen, ob die Pläne überhaupt für das Vereinigte Königreich laut internationalem Recht implementierbar seien. Auch UN-Flüchtlingskommissarin Gillian Triggs unterstrich, dass UNHCR den Transfer und Flüchtlingen und Asyl­be­wer­be­r:in­nen in Drittländer ablehne.

Die Ankündigungen könnten laut Be­ob­ach­te­r:in­nen zu einer Panik unter Flüchtlingen führen, welche in den nächsten Wochen zu einem besorgniserregenden starken Anwuchs der gefährlichen Überquerungen führen könnte.

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