Literaturhistoriker über Stadt und Land: „Mehr so wie Sankt Petersburg“

Hans Ulrich Gumbrecht hat ein Buch über die Provinz geschrieben. Was macht deren Geist aus? Ein Gespräch darüber – und übers ästhetische Level von Berlin.

Ein Porträtfoto von Hans Ulrich Gumbrecht, deutsch-amerikanischer Romanist, Literaturwissenschaftler und Literaturhistoriker, der der taz ein Interview zum Thema Stadt und Provinz gab

Die Provinz ist besser als ihr Ruf, sagt der Stanford-Intellektuelle Hans Ulrich Gumbrecht Foto: Isolde Ohlbaum/laif

taz: Lieber Herr Gumbrecht, wir Möchtegern-Weltbürger sind ja alle aus der Provinz in die Metropole geflohen, weil uns diese Kleinstadt oder das Dorf zu eng und verkrustet und geistlos schien. Und jetzt sagen Sie in Ihrem Buch „Provinz“, der große Geist sei häufig in der Provinz entfacht worden. Wirklich?

Hans Ulrich Gumbrecht: Zunächst sollte ich vielleicht sagen, wie ich den Begriff gebrauche. Geistesgeschichtlich – hätte man das wohl früher genannt. Für mich ist Provinz nicht das Dorf und nicht einfach Land. Provinz ist etwas zwischen 10.000 und 100.000 Einwohnern. Meine Heimatstadt Würzburg mit 125.000 Einwohnern ist Provinz, Weimar, Jena, Tübingen, Göttingen, Marburg sind Universitätsstädte in der Provinz, die sich zu einer bestimmten Zeit intellektuell entfalten konnten.

Wichtig ist vor allem der historische Bezug. Die Rede von der Provinz, ob positiv oder negativ, setzte immer als Gegenpol die Hauptstadt voraus. Es brauchte eine Metropole, gegen die sich die Provinz definieren konnte. Im deutschen Sprachraum hat Provinz eine deutlich negative Konnotation: Man will ihr entkommen. Ich wollte meiner Familie entkommen, Würzburg entkommen, dem Katholizismus entkommen.

Wie hat es geklappt?

Der Gegenpol zu Provinz ist, wie gesagt, die Metropole. Biografisch gesehen war meine erste Überraschung, als ich das letzte Schuljahr in Paris verbrachte und danach in München studierte, dass beide Metropolen, die eine offizielle, die andere damals „heimliche Hauptstadt“, den Vorschuss nicht einlöste, den ich ihnen gegeben hatte. Das eigene Leben schien an den Energiezentren der Metropolen vorbeizulaufen, wenn es die denn überhaupt gab.

Sie haben die Metropole dann aufgegeben?

Ich hatte nie einen Plan, nicht in der Hauptstadt zu sein. Aber immerhin habe ich irgendwann festgestellt, dass sich mein Leben eigentlich immer in kleinen Städten, in Provinzstädten eben, abgespielt hat. Bochum ist keine Hauptstadt, Konstanz nicht, Siegen schon gar nicht. Sie kennen den Spruch: Was ist schlimmer als verlieren?

Nee, was?

Siegen.

Nun leben Sie seit 1989 im berühmten Palo Alto und damit im Silicon Valley.

Palo Alto ist natürlich auch keine Metropole. 65.000 Leute. Okay, in der Bay Area rund um San Francisco wohnen um die fünf Millionen, aber San Francisco selbst ist im Grunde auch keine Metropole mehr. Die Stadt fungiert bestenfalls als ein Freilichtmuseum der Hippie-Stimmung in den 60er Jahren. Ich habe also nie wirklich in einer Hauptstadt gelebt, und habe das auch nie besonders vermisst. Unter den besten 25 Universitäten der Welt gibt es übrigens nur eine, die sich in einer wirklichen großen Stadt befindet. Das ist Columbia in New York. Aber Columbia kann heute kaum mehr mit Harvard oder Stanford konkurrieren. Die beste kontinentaleuropäische Universität ist die ETH in Zürich. Auch keine Metropole.

Warum sind berühmte historische Universitätsstädte so oft in der Provinz und meist 100 bis 200 Kilometer weg von der Hauptstadt. Sie nennen Oxford und Cambridge, Bologna, Padua, Salamanca, Coimbra, Lund, Aarhus.

Das war die Weisheit der Gründer, etwa Alfons der X. von Kastilien, was Salamanca angeht. Die Begründung war meistens, dass die Studenten hier nicht allzu sehr abgelenkt waren – erotisch vor allem.

Wirklich?

Ja. Auch bei der Gründung der heutigen Humboldt-Universität hatte Schleiermacher in dieser Hinsicht Bedenken. Mir geht es aber primär um eine andere historische Intuition, nämlich dass die Hauptstadt, also die Stadt, wo die Macht ist, die Finanzen sind, nicht unbedingt die beste Stadt für den Geist ist.

Der Mann Hans Ulrich Gumbrecht, geboren 1948 in Würzburg, ist Albert Guérard Professor in Literature, Emeritus, an der Stanford University und zugleich Distinguished Professor of Romance Literatures an der Hebrew University Jerusalem. Er ging 1989 nach Kalifornien, um dort zu leben und zu sterben. Seit 2000 US-Staatsbürger. Publiziert in NZZ, Weltwoche, FAZ, O Estado De São Paulo und taz FUTURZWEI.

Das Buch „Provinz. Von Orten des Denkens und der Leidenschaft“. Zu Klampen 2021, 224 Seiten, 22 Euro. (pu)

Warum ist in den Metropolen nicht auch der große Geist zu Hause, wenn wir da doch alle hingezogen sind?

Zunächst sollte man sich immer fragen, wo und was in jeder Gegenwart die Konkretisierung des großen Geistes ist; im 19. Jahrhundert waren das vor allem die großen Künstler und Literaten, die in den Hauptstädten wohnten. Jeder weiß auch aber, dass die Academia von Platon, das Lyzeum von Aristoteles nicht im Zentrum von Athen waren, sondern am Rand der Stadt. Das hat ganz banal damit zu tun, dass eine große Stadt eine Menge Zeit auffrisst.

Ein weiterer Grund für die Produktivität der Provinz ist auf der anderen Seite, dass man sich dort kaum aus dem Weg gehen kann. Wären Goethe und Schiller in Frankfurt am Main gewesen, damals die größte Stadt in Deutschland, hätten sie sich ausweichen können. Aber Weimar war zu eng. Das gilt eigentlich auch für diesen Campus: Man kann sich in Stanford nicht aus dem Weg gehen.

Wir flohen doch aus der Provinz, weil diese Enge uns erdrückte?

Die Provinz begünstigt aber eben auch Soziabilität als eine im wörtlichen Sinn auferlegte Auseinandersetzung mit Leuten, die man nicht nach Sympathie ausgewählt hat, sondern die einfach unausweichlich da sind. Außerdem hat man in der Provinz als Geistesmensch auch Zeit – oder sogar Zeit totzuschlagen. Ich meine, was sind die Versuchungen in Marburg oder Würzburg? Mal abgesehen von individuellen erotischen Versuchungen. Bei uns in Palo Alto nicht anders.

Sie sagen, dass Metropole und Provinz abgelöst werden oder bereits sind von Megalopolis und Peripherie. Wie definieren Sie das?

Megalopolen, ein schreckliches Wort, vor allem im Plural, sind die zusammengewachsenen Riesenstädte der Gegenwart, meist außerhalb Europas wie etwa Schanghai, Mumbai, Mexiko-Stadt, Lagos, Tokio, Seoul, São Paulo. Sie sind schwer greifbar, sie haben kein Zentrum mehr oder es verloren, und sie haben auch keine Provinz mehr, die sich zu ihnen verhält.

Campinas, zum Beispiel, wurde zu einer der besten brasilianischen Universitäten, ist aber kein Kontrapunkt zum etwa hundert Kilometer entfernten São Paulo. Nicht einmal Rio funktioniert als ein Kontrapunkt zu São Paulo. Das sind zwei Megalopolen, die irgendwo ineinander übergehen könnten, wenn sich die derzeitige demografische Entwicklung fortsetzt. Provinz hingegen definiert sich positiv und negativ gegen die Hauptstadt. Nicht unbedingt aggressiv, aber in Absetzung von ihr.

Westdeutschland bestand im Grunde nur aus Provinz. Weil halt Westberlin nicht als seine Metropole funktionierte.

Ich denke ja, dass dies eine der Stärken der alten Bundesrepublik war, ihre Plurizentralität. Westberlin war gar nicht unbedeutend für sie, aber es gab eben auch Hamburg und München, die geheime Hauptstadt, und Frankfurt am Main, die Finanzhauptstadt. Vielleicht war der Ausfall von Berlin als Hauptstadt und Zentrum zwischen 1945 und 1989 eine Bedingung für das Gelingen der Bundesrepublik. Denn obwohl ich ausgerechnet 1989 ausgewandert bin, halte ich die Geschichte der Bundesrepublik für eine Erfolgsgeschichte – die eine deutsche Erfolgsgeschichte wohl.

Ich habe gerade ein Interview mit einer Politikerin gemacht, die auch aus der mainfränkischen Provinz kommt wie Sie. Die wollte mit Anfang zwanzig unbedingt in eine Großstadt, weshalb sie nach Frankfurt gegangen sei und eben nicht nach München. Einige Münchner waren sofort beleidigt.

Ja, aber das Beispiel hat was. Frankfurt war schon früh eine Vorwegnahme oder eine der seltenen europäischen Fälle einer Megalopolis. Zum einen ist „Frankfurt“ ja das ganze Rhein-Main-Gebiet, zum anderen wohl nicht zufällig die einzige deutsche Stadt mit einer Skyline, zum dritten scheint die Stadt weniger beflissen an ihrer Kultivierung und an ihrer Geschichte zu feilen, auch wenn Goethe dort geboren ist.

Ich bin jahrelang auf der Suche nach dem Silicon Valley gewesen, wollte sehen und spüren, hab die Städtchen mit den Techfirmen abgeklappert, Cupertino, Mountain View, Palo Alto, ich hab weder Zentrum noch Geist gefunden, im Grunde gar nichts. Was war mein Fehler?

Es gibt – beinahe in der symbolischen Mitte – den Campus von Stanford, den ich gerade sehe, wenn ich hier aus dem Fenster schaue. Dieser Campus hat strukturell eine gewisse Analogie zu Silicon Valley. Die Gebäude stehen weit voneinander entfernt und es gibt, was die intellektuellen Leistungen und Funktionen angeht, kein natürliches Zentrum. Vor allem aber gilt für das Silicon Valley wie für Stanford, dass Sie zwar kurze, miteinander verfugte Geschichten haben, aber dass diese Geschichten keine Last im Sinn von Verpflichtungen sind. Und daraus ergibt sich jene Beweglichkeit, jener Raum des Gestaltens, den ich als „Plastizität“ beschrieben habe.

Was heißt das?

Die Leere, die Sie negativ gedeutet haben, ist der formbare Raum, in dem etwas Neues entstehen kann. Wenn man also eine gute Idee in Mountain View hat …

… wo Google ist …

… dann gründet man ein Start-up in Mountain View. Und wenn eine gute Idee in Cupertino kommt, dann eben dort. Aber die Tatsache, dass Apple offiziell in Cupertino ist, hat Cupertino nicht zu einem Zentrum gemacht. Man erlebt da auch keine scharfen Konkurrenzen, sondern jene Formbarkeit, die gerade auch wichtig ist, wenn ein Start-up nicht läuft.

Was macht man dann?

Dann fängt man etwas Neues an. Und wenn das Start-up läuft, dann verkauft man es irgendwann. Es wird jedenfalls kein Familienbetrieb – wie in der baden-württembergischen Provinz.

Als europäisch geschulter Metropolenflaneur, der ja kein Tourist sein will, bin ich dann immer nach San Francisco hochgefahren, denn dort habe ich Geschichte und Identität gefunden und mich selbst als Teil davon, Beatniks, Summer of Love und so weiter.

Eben. Wie gesagt hat San Francisco einen Anspruch auf historische Identität, der es längst zum Museum gemacht hat. Dort wohnen dann auch gerne einige der Silicon-Valley-Milliardäre. Aber eine Start-up-Szene hat sich da meines Wissens nie entwickelt.

Auch die großen europäischen Hauptstädte – Paris, Madrid, Berlinseien Museen gelähmter Metropolen von früher, wie Sie schreiben.

Hab ich das so geschrieben? Kein schlechter Satz. Mir kommt der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer in den Sinn, einer der großen Künstler unserer Gegenwart. Der lebt zwar in Paris, aber eben in der Peripherie. Kaum vorstellbar, dass seine Art von Kunst im Zentrum von Paris entstehen könnte.

Warum nicht?

Weil Paris auch statistisch gesehen das führende Museum unserer Gegenwart ist. Man möchte und man sollte das alles einmal gesehen haben, aber dort vollzieht sich nicht das Leben unter heutigen Bedingungen. Das gilt wohl auch für die Politik im Élysée-Palast.

Was ist mit Berlin?

Für mich ist Berlin ästhetisch nicht auf dem Level von Paris, Madrid oder Rom. Berlin ist mehr so wie Sankt Petersburg.

Wie meinen Sie das?

Eine sichtbar von der Geschichte gezeichnete Stadt, eine Stadt der Narben auch, die sich nicht zu einer eigenen Form mit einer eigenen Stimmung zusammenrücken. Moskau dagegen hat etwas von Megalopolis. Es ist aggressiv, gefährlich, nicht schön. Einerseits das Energiezentrum einer noch kaum verstandenen Variante des Kapitalismus. Anderseits, historisch gesehen eine Art Karthago des 20. Jahrhunderts, Spuren der Hauptstadt einer gescheiterten Großmacht.

Die deutsche Mittelschicht, die sich der negativ konnotierten Provinz entkommen wähnt, fühlt sich urban, wenn sie in diesen Metropolen flaniert, vor allem in New York. Karl-Heinz Bohrer nennt den Typus „weltläufig gewordene Provinzler“.

Ja, das ist schön gesagt. Flanieren ist ja eine Lebensform des 19. Jahrhunderts. In São Paulo kann man wirklich nicht flanieren, das ist viel zu gefährlich. Wer da flaniert, wird schnell flambiert. In New York lässt sich in Teilen von Manhattan flanieren wie in europäischen Kapitalen, wo die Stadt eben einigermaßen museal und sicher ist. Aber schon fünf Blocks weiter nach Norden oder Süden muss man aufpassen. San Francisco, D. C., zu einem gewissen Grad auch New York haben diese historische Form. Solche Städte wachsen nicht mehr. Im Gegensatz dazu steht Los Angeles, das eine Struktur wie Silicon Valley hat. In L. A., meine ich, könnte immer noch etwas Interessantes passieren, wie vor mehr als hundert Jahren Hollywood.

Fassen wir zusammen: In der historisierten Metropole sind alle Räume mit Geschichten und dem Alten besetzt, gerade auch die geistigen. In scheinbar geistfreien Strukturen wie Silicon Valley kann in den leeren Räumen etwas Neues entstehen?

So meine ich es. Ich sage nicht, dass diese Struktur einer sich im Prinzip unendlich fortsetzenden Peripherie irgendeinen Durchbruch garantiert, aber sie ist die Möglichkeit für Durchbrüche.

Berlin ist seit 1991 Hauptstadt der Bundesrepublik und die Hoffnung war, dass hier Politik, Kultur und das Denken richtig nach vorn gehen. Das hat sich nicht erfüllt. Wie sehen Sie das?

Verglichen mit den anderen europäischen Nationen und selbst mit den USA hat Deutschland keine lange Hauptstadtgeschichte. Berlin wurde erst 1871 Hauptstadt des neu gegründeten Deutschen Kaiserreichs. Dann kam auch noch die Unterbrechung der deutschen Teilung. Aber die Frage ist ja, ob der wiedererlangte Hauptstadtstatus Berlin nur genutzt hat oder ob er jene Lähmung des Musealen über Berlin verhängt hat. Als ich das vorletzte Mal in Berlin war, hat mir mein Freund Horst Bredekamp das Humboldt Forum gezeigt. Großartig und möglicherweise ein Modell für andere Hauptstädte, aber unvermeidlich auch ein Teil und Symptom einer Musealisierung. Ziehen deshalb so viele Rentnerpaare nach Berlin?

Ja, warum tun die das?

Die noch relativ junge Hauptstadtbegeisterung in Deutschland kehrt das um, was in Madrid, Paris oder London seit Langem der Fall ist. Dort verlässt die akademisch gebildete Mittelschicht die Hauptstadt, sobald sie in Rente gehen kann, und zieht vollends in ihr Haus in der als schön erlebten Provinz. Das deutsche Rentnerpaar dagegen verlässt ein geräumiges Haus und ein altersgemäß gutes und angenehmes Leben in einer Kreis- oder Landeshauptstadt und zieht in eine Dreizimmerwohnung in Berlin-Mitte, um hier am Nabel der Kultur und der Welt zu sein. Die deutschen Rentner wollen sich wohl gegen Ende ihres Lebens vom deutschen Minderwertigkeitskomplex des Provinzialismus erlösen.

Auch die Jungen und Kreativen wollen nach Berlin. Ich weiß gar nicht, ob eigentlich noch jemand in Köln oder Hamburg ist.

In Deutschland dominiert derzeit der Impuls, der Provinz zu entkommen, nicht der Hauptstadt. Wenn ein Kollege, der an der FU oder an der HU arbeitet, sich in Tübingen, Marburg oder Göttingen bewirbt, glauben die Leute dort gar nicht, dass er tatsächlich zu kommen bereit ist. Und wer doch kommt, behält seinen Lebensmittelpunkt in Berlin und schläft nur eine Nacht pro Woche in Marburg. Die Provinzkonnotation ist insgesamt überwältigend negativ. Wo immer ich in Deutschland – außer Berlin und Hamburg – hingehe, die Leute entschuldigen sich für ihren Provinzstatus. Ich habe eine Ausnahme erlebt bei einem Vortrag, den ich angenommen habe, weil das Honorar außergewöhnlich gut war.

Jetzt bin ich gespannt.

Das war in Heilbronn. Eine Vortragsreihe in der Kreissparkasse. Man sagte mir, Heilbronn sei das Zentrum des schwäbischen Finanzkapitalismus. Das größte und zentrale Gebäude der Stadt ist gewiss die Kreissparkasse. Eigenartigerweise gab es den Provinzkomplex hier nicht. In Würzburg zum Beispiel entschuldigen sich viele Kollegen, dass es kein Fünfsternehotel gibt. Das wäre in Heilbronn nicht vorgekommen.

Was genau daran liegen könnte, dass Heilbronn, wie überhaupt Baden-Württemberg, nicht prioritär kulturelle Provinz ist, sondern sozioökonomische und innovative Erfolgsstadt und daraus seine Identität und sein Selbstbewusstsein zieht?

Das war mein Gefühl. Peripherie von Stuttgart vielleicht, aber nicht im Sinne eines Gegenpols. Ob man auch in Heilbronn ein Potenzial von Plastizität annehmen kann, weiß ich naturgemäß nicht, aber die Frage ist durchaus ernst.

Ihre weitergehende These zu Berlin: Die einen Stadtviertel stehen für eine angeblich großartige Vergangenheit. Kreuzberg: 80er Jahre, Hausbesetzung. Friedrichshain: irgendwie für den Postwendeaufbruch. Andere Viertel gelten als das nächste große Ding, das dann nie kommt – früher Neukölln, dann Wedding. Aber kein Stadtteil in Berlin steht für eine spannende Gegenwart, in der etwas tatsächlich jetzt passiert.

Den Eindruck habe ich, und für mich hier im Silicon Valley sind natürlich die staatlich geförderten Start-ups in Berlin emblematisch.

Start-ups könnten doch die Musealisierung Berlins brechen.

Aber staatlich geförderte Start-ups? Das geht eben gerade nicht. Man müsste – im Vergleich zu Technologiezentren in Indien und natürlich den Vereinigten Staaten – sehen, ob hinreichend Start-ups in Berlin scheitern, denn diese von staatlicher Unterstützung ja stets blockierte Entwicklung ist eben auch die Bedingung für den ganz großen Erfolg von anderen Start-ups. Meine These: Die Stagnation ergibt sich daraus, dass selbst die Start-ups letztlich so eine Art von Beamtenschaft hervorbringen, weil eben jetzt auch Deutschland Start-ups haben muss und dann vor allem in der Hauptstadt. Wie gesagt, ich würde eher auf Heilbronn setzen – wo man ja auch nur wenig abgelenkt wird.

Kein gutes letztes Wort für Berlin?

Das Beste an Berlin sind jedenfalls die Museen, es gibt kaum bessere auf der Welt.

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