+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: 1.222 Tote „allein in der Region Kiew“

Bislang seien mehr als 1.200 Tote im Raum Kiew entdeckt worden, heißt es von ukrainischer Seite. Der Flughafen von Dnipro ist laut Gouverneur „vollständig zerstört“.

Fotografie von oben

Butscha: Schwarze Plastiksäcke mit Leichen, die aus einem Massengrab exhumiert wurden Foto: ap

Staatsanwältin: Bislang mehr als 1.200 Tote in Region Kiew entdeckt

In der Region um Kiew sind nach ukrainischen Angaben bislang mehr als 1.200 Tote gefunden worden. Staatsanwältin Iryna Wenediktowa nannte im Interview mit dem britischen Sender Sky News am Sonntag die Zahl von 1.222 geborgenen Toten „allein in der Region Kiew“. Den russischen Truppen warf sie erneut schwere Kriegsverbrechen vor.

Die russische Armee hatte sich vor rund einer Woche aus der Region rings um die ukrainische Hauptstadt Kiew zurückgezogen und stellt sich derzeit im Osten der Ukraine neu auf. In den nahe Kiew gelegenen Orten herrschten nach dem Abzug der russischen Truppen dramatische Zustände.

Erste Berichte am vergangenen Wochenende über möglicherweise Hunderte getötete Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha hatten international für Entsetzen gesorgt. Im Laufe der Woche häuften sich ähnliche Schilderungen aus weiteren Orten wie Irpin oder Borodjanka.

Moskau bestreitet jegliche Verantwortung für die Tötungen und spricht von gefälschten Fotos und Videos. Material wie Satellitenaufnahmen und Mitschnitte von abgehörter Funkkommunikation legen aber eine Verantwortung russischer Soldaten nahe. (afp)

Ukraine: Seit Kriegsbeginn 2.200 Wehrpflichtige an Flucht gehindert

Der ukrainische Grenzschutz hat seit Beginn des Kriegs mit Russland knapp 2.200 Männer im wehrpflichtigen Alter an der verbotenen Ausreise gehindert. „In letzter Zeit gab es auch mehrere Fälle, in denen Leichen von Männern an den Ufern grenznaher Gewässer gefunden wurden“, teilte die Behörde am Sonntag mit.

Anders als Frauen und Kinder, die zu Hunderttausenden fliehen, sollen Männer ihr Heimatland verteidigen. Einige männliche Flüchtlinge hätten versucht, Beamte zu bestechen oder mit gefälschten Dokumenten über die Grenze zu gelangen, hieß es. In den Karpaten seien auch mehrere Vorfälle mit Erfrierungen registriert worden, unter anderem an der Grenze zu Rumänien.

In ukrainischen Medien sorgten zuletzt Berichte über den ehemaligen Verfassungsrichter Olexander Tupyzkyj für Aufsehen. Der 59-Jährige war in Wien fotografiert worden. Die Ukraine hat angekündigt, die vor der Landesverteidigung Geflohenen nach der Rückkehr ins Land zu bestrafen.

Ein ukrainischer Soldat steht nach einem Granatenbeschuss vor einem Trümmerhaufen und streckt die Arme aus

Nach Beginn der Invasion hatte Kiew Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten Foto: ap

Nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar hatte Kiew Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten. Ausnahmen gelten für Wehruntaugliche und Väter kinderreicher Familien, aber auch für Fernfahrer. (dpa)

Gouverneur: Flughafen von Dnipro durch russischen Beschuss „vollständig zerstört“

Russische Truppen haben nach ukrainischen Angaben erneut den Flughafen von Dnipro angegriffen und diesen „vollständig zerstört“. Sowohl der Flughafen als auch die umliegende Infrastruktur seien zerstört worden, erklärte am Sonntag der für die ostukrainische Stadt zuständige Gouverneur auf Telegram. Es werde derzeit geprüft, ob es Todesopfer gebe. (afp)

🐾 „Die bisherige Reaktion war gut“

Bei der Aufnahme der Ukrai­ne­r:in­nen sind sich alle EU-Staaten einig, sagt die Direktorin der EU-Asylagentur. Eine Umverteilung sei nicht geplant. Das Interview mit Nina Gregori lesen Sie hier. (taz)

Ukrainischer Botschafter verurteilt Schmierereien an Ehrenmal

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat die anti-russischen Schmierereien am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow verurteilt. „Solche Schmierereien verurteile ich ausdrücklich, auch wenn manche Parolen, dass ukrainisches Blut auf russischen Händen in diesem Krieg klebt, zutreffend sind“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. „Ich glaube, das war eine bewusste Provokation, auch um die Ukraine zu diskreditieren.“ Der Botschafter forderte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und die Polizei auf, alles zu unternehmen, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen und die Ehrenmale in Treptow und im Berliner Tiergarten besser vor Vandalismus zu schützen.

Die Schmierereien waren am Donnerstag von der Berliner Polizei bestätigt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits unkenntlich gemacht worden. Nach Medienberichten waren Parolen wie „Death to all Russians“ (Tod allen Russen), „Ukrainian Blood on Russian Hands“ (Ukrainisches Blut an russischen Händen) oder „Putin = Stalin“ auf das Mahnmal gesprüht worden. (dpa)

Unbekannte haben anti-russische Parolen auf das Ehrenmal im Stadtteil Treptow gesprüht Foto: dpa

Ukrainischer Botschafter fordert Verbot russischer Fahnen bei Demos

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat ein Verbot russischer Fahnen und anderer staatlicher Symbole bei pro-russischen Demonstrationen in Deutschland gefordert. „Das Tragen aller offiziellen Symbole eines Aggressor-Staates – wie der russischen Fahne – müsste per Gesetz verboten werden, solange Russland diesen Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Nation führt“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Das Zeigen der russischen Symbole habe nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit „Verherrlichung einer barbarischen Aggression“ mitten in Europa.

Er werde darüber „sehr konkrete Gespräche“ mit der Bundesregierung führen, kündigte Melnyk an. „Ich kann gar nicht verstehen, dass die deutsche Politik dabei ein Auge zudrückt“, sagte er. „Wenn man mit einer russischen Fahne demonstriert, dann unterstützt man automatisch einen Staat, der einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine und unsere Zivilbevölkerung führt.“

In den vergangenen Tagen hatte es pro-russische Autokorsos in mehreren deutschen Städten gegeben. Erst am Samstag rollte eine lange Autokolonne mit vielen russischen Fahnen auf den Motorhauben durch Stuttgart. Das Motto lautete: „Gegen die Diskriminierung russischsprechender Menschen“. Die Demonstranten forderten „Stopp Russophobia“ und wandten sich „Gegen die Diskriminierung russischsprachiger Kinder in den Schulen“. Am vergangenen Sonntag, dem Tag, an dem die Kriegsgräuel in Butscha bekannt wurden, hatte ein Autokorso in Berlin für Empörung gesorgt. (dpa)

Tote und Verletzte bei Beschuss

Durch Beschuss sind in der Region Donezk ukrainischen Angaben zufolge mindestens fünf Zivilisten getötet und fünf weitere verletzt worden. Die örtliche Militärverwaltung machte Russland für die Opfer verantwortlich. Auch im nordöstlichen Gebiet Charkiw habe die russische Artillerie am Samstag Siedlungen beschossen, teilten ukrainische Behörden mit. Dabei seien mindestens zwei Menschen getötet und ein Mensch verletzt worden. Viele Häuser seien zerstört.

In der Region Mykolajiw im Süden habe das ukrainische Militär sieben Raketenangriffe der russischen Armee gezählt, hieß es. Dabei sei niemand getötet worden. Ukrainische Kräfte hätten ihrerseits bei drei Angriffen auf russische Truppen am Samstag unter anderem 80 Soldaten getötet sowie drei Panzer und je ein Flugzeug und einen Hubschrauber zerstört. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. (dpa)

Charkiw: Ein durch Beschuss des russischen Militärs schwer beschädigtes Haus

Charkiw am Samstag, 9. April: Ein durch Beschuss des russischen Militärs schwer beschädigtes Haus Foto: Felipe Dana/ap

Russland um Ausgleich der Verluste bei Truppen bemüht

Russland versucht, die zunehmenden Verluste seiner Invasionstruppen durch Soldaten auszugleichen, die seit 2012 aus dem Militärdienst entlassen wurden. Zu dieser Erkenntnis kommt der britische Militärgeheimdienst, wie das Verteidigungsministerium aus seinem regelmäßig veröffentlichten Bulletin auf Twitter mitteilt. Das Militär bemühe sich, seine Kampfkraft zu stärken. Dazu gehöre auch der Versuch, Rekruten aus der von Russland gestützten und international nicht anerkannten Region Transnistrien im Osten der Republik Moldau zu gewinnen. Moldau grenzt im Westen an das EU-Mitglied Rumänien und im Osten an die Ukraine. Das kleine, arme Land hat zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. (rtr)

🐾 Keine Härte, sondern Verantwortung

Nicht nur Putin, auch Männer hierzulande propagieren die Vorstellung des harten Mannes. Doch Männlich sein bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Den Essay unseres Redakteurs Daniel Schulz lesen Sie hier. (taz)

Massengrab mit Dutzenden toten Zivilisten bei Kiew

Erneut ist in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein Massengrab mit Dutzenden toten Zivilisten entdeckt worden. Das Grab sei am Samstag im Dorf Busowa gefunden worden, sagt Taras Didytsch, der Vorsteher der Gemeinde Dmytriwka, zu der Busowa und weitere umliegende Dörfer gehören, dem ukrainischen Fernsehen. Die Leichen hätten in einem Graben in der Nähe einer Tankstelle gelegen. Um wie viele Tote es sich handele, sei noch nicht klar. Busowa stand wochenlang unter russischer Besatzung. Während der Belagerung Kiews durch russische Truppen lagen etliche Gemeinden rund um die Hauptstadt unter ständigem Beschuss – darunter Makariw, Butscha, Irpin und Dmytriwka. Nach dem Abzug der russischen Soldaten wurden bereits mehrere Massengräber und zahlreiche zivile Todesopfer gefunden. (rtr)

Wie wird der Krieg in den Ländern der ehemaligen UDSSR wahrgenommen? Die taz glaubt daran, dass je­de:r das Recht auf diese Informationen hat. Damit möglichst viele Menschen von den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine lesen können, veröffentlichen wir die Texte unserer Kolumne „Krieg und Frieden“ daher auf Deutsch und auch auf Russisch.

Offenbar Schule in Region Luhansk beschossen worden

In der Stadt Siewierodonezk in der ostukrainischen Region Luhansk sind am frühen Morgen eine Schule und ein Wohnhochhaus beschossen worden. Das teilt der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, auf Telegram mit. „Glücklicherweise keine Verletzten“, schreibt er weiter. (rtr)

Neun Evakuierungszüge stehen in Luhansk bereit

Zur Evakuierung der ostukrainischen Region Luhansk stehen nach Angaben des Gouverneurs Serhij Gaidai an diesem Sonntag neun Züge bereit. Diese könnten die Einwohnerinnen und Einwohner der belagerten Orte nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen, schreibt Gaidai auf Telegram. Im Osten der Ukraine wird eine Offensive der russischen Truppen erwartet. (rtr)

Ukraine stoppt Warenhandel mit Russland

Die Ukraine untersagt alle Einfuhren aus Russland. „Heute haben wir offiziell die vollständige Einstellung des Warenhandels mit dem Angreiferstaat verkündet“, schreibt Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko auf ihrer Facebook-Seite. Damit wird die Einstellung der Importe zum Gesetz. Vor dem Krieg war die Ukraine mit jährlichen Warenimporten im Wert von rund sechs Milliarden Dollar ein wichtiger Handelspartner Russlands. (rtr)

Nato: Pläne für ständige Militärpräsenz an Grenzen

Wegen künftiger russischer Aggressionen arbeitet die Nato nach Angaben ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg an Plänen für eine ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen. „Was wir jetzt sehen, ist eine neue Realität, eine neue Normalität für die europäische Sicherheit“, sagt Stoltenberg der Zeitung The Telegraph. Die Nato befände sich in einer grundlegenden Umgestaltung. Diese spiegele die langfristigen Folgen der Handlungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin wider. (rtr)

Söder prüft Fracking

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will die umstrittene Fracking-Technologie zur Gasgewinnung in Deutschland nach Möglichkeit erlauben. „Wir dürfen Öl- und Gasgewinnung aus vorhandenen Kapazitäten in Deutschland nicht völlig ausschließen“, sagt der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut einem Vorabbericht. Für russisches Gas brauche Deutschland möglichst breite Ersatzkapazitäten. „Wir müssen ergebnisoffen prüfen, was geht und sinnvoll ist. Verbote könnte man aufheben“, so der Politiker. (rtr)

Bericht: Ukraine will bei Rheinmetall Panzer des Typs Marder kaufen

Die Ukraine will einem Zeitungsbericht zufolge beim Rüstungskonzern Rheinmetall Schützenpanzer des Typs Marder kaufen. Bis Jahresende wolle der Konzern 35 dieser Fahrzeuge an die Ukraine ausliefern, berichtet Bild am Sonntag. Die ausgemusterten Panzer müssen zunächst instandgesetzt werden. Von Rheinmetall und der ukrainischen Regierung waren zunächst keine Stellungnahmen zu dem Bericht zu erhalten. Die Ukraine hatte Deutschland aufgefordert, unter anderem Marder-Schützenpanzer aus Bundeswehrbeständen zu liefern und die Bestände anschließend von der Industrie wieder auffüllen zu lassen. Dies hatte die Bundesregierung unter Verweis auf eigenen Bedarf abgelehnt. (rtr)

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