Bedingungsloses Grundeinkommen: Unterschreiben für eine rosa Zukunft

Ab Freitag sammelt eine Berliner Initiative Stimmen für einen staatlichen Modellversuch zum Grundeinkommen. Es wäre der erste bundesweit.

Ein Transparent mit Forderung nach einem Grundeinkommen steht auf dem Alexanderplatz

Auf geht's in die zweite Phase: Wieder wird für den Modellversuch gesammelt (hier 2020) Foto: imago

BERLIN taz | Berlins politisches Farbenspektrum wird stetig breiter. Nachdem die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen auf leuchtendes Gelb und markantes Lila als Erkennungszeichen gesetzt hat, folgt ab Donnerstagabend – ausgerechnet – Rosa. Das soll aber nicht, wie vielleicht naheliegend wäre, für eine Gender-Debatte stehen, sondern für eine sozialpolitische Revolution.

Die Initiative Expedition Grundeinkommen startet mit ihrer Sammlung für einen Volksentscheid, mit dem sie ein vom Land finanziertes Modellprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen durchsetzen will. Die Grundfarbe der Plakate: rosa, wie La Vie en Rose. Denn würde – irgendwann – ein solches Grundeinkommen für jede und jeden eingeführt, wäre es nicht weniger als eine sozialpolitische Revolution.

Damit es zum Volksentscheid kommt, benötigt die Initiative 175.000 gültige Unterschriften innerhalb von vier Monaten, also bis Anfang September. Keine leichte Aufgabe, wie Sprecher Mark Appoh am Mittwoch zum Kampagnenauftakt vor der Presse zugab. Zumal das Thema – eine vom Staat finanzierte Unterstützung für alle unabhängig von deren wirtschaftlicher Situation und ohne Gegenleistung – bisher zwar immer mal wieder diskutiert werde und auch Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in fast allen Parteien habe, „aber noch nicht in der Breite angekommen“ sei.

Das möchten Appoh und das Team der Initiative ändern: Denn zur Abstimmung wird nicht etwa die Einführung des Grundeinkommens für alle stehen, sondern ein wissenschaftlich organisierter und begleiteter Versuch, um empirische Daten zu sammeln, wie ein solches Grundeinkommen am besten umzusetzen sei. „Es gibt viele Meinungen dazu, aber wenige wissenschaftliche Fakten“, erklärt dazu Laura Brämswig von der Initiative. Die sollen aus dem Modellprojekt hervorgehen.

Laura Brämswig, Expedition Grundeinkommen

„Es gibt viele Meinungen, aber wenige wissenschaftliche Fakten“

Insgesamt 3.500 Menschen sollen im Rahmen dieses Versuchs drei Jahre lang ein solches Grundeinkommen erhalten und damit machen können, was sie wollen. Wie hoch dieses Einkommen sein wird, steht noch nicht fest: Nach Vorstellungen der Initiative wird es mehrere unterschiedlich ausgestattete Versuchsgruppen geben, um am Ende Vergleichsmöglichkeiten zu haben, welches Modell wie funktioniert.

Weniger als 1.200 Euro monatlich werden es aber nicht sein, sagt Brämswig: Das sei derzeit die Untergrenze, damit sowohl die Existenz wie auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesichert sei. Fest steht außerdem, dass die Kosten für das Land insgesamt 70 Millionen Euro nicht überschreiten werden.

Ein Plakat mit Forderungen nach

Hier wurde gesammelt Foto: imago

Die beiden Krisen derzeit – die Coronapandemie und die globalen Folgen des Kriegs gegen die Ukraine – würden zeigen, „dass, obwohl Deutschland ein wohlhabendes Land ist, die Menschen nicht genügend abgesichert sind, um durch diese Krisen zu kommen“, begründet Brämswig den Zeitpunkt des Starts der Unterschriftensammlung für die zweite Phase der direkten Demokratie. Im Sommer 2020 hatte rund 35.000 Menschen in der ersten Phase unterschrieben; im März 2021 war die Initiative vom Senat für zulässig erklärt worden.

Mehr Zeit für Oma?

Expedition Grundeinkommen hat für diese zweite Phase viel von früheren Initiativen gelernt. Von DW enteignen etwa übernimmt sie die Idee mit der konsequenten Farbgebung auf Westen und Plakaten. 7.000 davon sollen ab Donnerstagabend aufgehängt werden.

Phase eins 20.000 gültige Unterschriften sind notwendig, damit der Senat eine direktdemokratische Initiative auf Zulässigkeit prüft. Das Parlament kann sie auch schon annehmen; dann ist die Initiative schneller als erwartet am Ziel.

Phase zwei 175.000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten braucht es, damit es zum Volksentscheid kommt. Wer in Berlin für das Abgeordnetenhaus wahlberechtigt ist, darf unterschreiben. Ausgeschlossen sind somit Unter-18-Jährige und alle ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Abstimmung Beim Volksentscheid muss eine Mehrheit für den Entwurf stimmen und diese Mehrheit muss mindestens ein Viertel der Abstimmungsberechtigten umfassen. Sonst ist die Abstimmung ungültig. In der Regel soll diese, um ein Scheitern am Quorum zu verhindern, parallel zur einer Wahl stattfinden – sofern diese in zeitlicher Nähe ist. (taz)

Die acht Motive der Poster drehen sich um Fragen, die in der Debatte immer wieder aufgekommen seinen, etwa: „Mehr Zeit für Oma durch ein bedingungsloses Grundeinkommen?“ Schließlich könnte ein solches dafür sorgen, dass Menschen freier von Existenzangst und beruflichen Verpflichtungen sind.

16.000 Hel­fe­r*in­nen hätten sich gemeldet, um die nötigen Unterschriften zusammen zu bekommen, berichtet Laura Brähmswig. Das Ziel seien über die erforderlichen 175.000 hinaus sogar 240.000 Unterschriften, betont sie – auch dies eine Erfahrung aus früheren Sammlungen: 10 bis 20 Prozent der Stimmen sind ungültig, zumeist weil die Unterschreibenden nicht in Berlin wahlberechtigt sind.

Vor allem aber steht die Initiative nicht allein da. Sie wird nicht nur von anderen Gruppen unterstützt, die sich mit der selben Thematik beschäftigen, wie etwa dem Verein Gemeinwohl-Ökonomie Berlin Brandenburg. Sondern auch von Initiativen, die ebenfalls einen Volksentscheid anstreben: Berlin autofrei und Berlin klimaneutral, dessen Ziel der rot-grün-rote Senat erst am Dienstag die Unterstützung versagt hat.

Die Kooperation geht so weit, dass die drei Gruppen sogar einen gemeinsamen Termin für ihren Volksentscheid anstreben, wie Brämswig sagt. Das macht Sinn, denn die nächste Wahl ist – planmäßig – erst die Europawahl 2024. Und ohne parallel stattfindende Wahl steigt die Gefahr, dass ein Volksentscheid am Quorum scheitert.

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