Förderung für bessere Radwege: 30 Euro pro Kopf und Jahr fürs Rad

Der Fahrradverband ADFC fordert, dass der Bund das erfolgreiche Programm „Stadt und Land“ verlängert. Sonst seien Projekte bedroht.

Menschen fahren mit ihren Fahrrädern auf einem rot marlierten fahrradweg

Nur wenn es bis 2030 dreimal so viel Radwege gibt, kann Deutschland seine Klimaziele einhalten Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Die Fahrradbrücke in Essen, das Radparkhaus in Hamburg und bundesweit mehr als 900 weitere Projekte vor allem zum Schließen von Fahrradwegelücken sind bereits auf den Weg gebracht. Doch nach erfolgreichem Auftakt droht dem Radförderprogramm des Bundes eine abrupte Vollbremsung – wenn er es nicht umgehend verlängert und mehr Geld zur Verfügung stellt. Davor warnt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Mit mehr als 200.000 Mitgliedern ist er die nach eigenen Angaben größte Interessenvertretung von Radfahrenden in Deutschland.

Mit dem Programm „Stadt und Land“ habe das Bundesverkehrsministerium eine unglaubliche Dynamik beim Ausbau von Radfahrinfrastruktur in den Kommunen ausgelöst, sagt ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider im Gespräch mit der taz. Doch das Programm läuft bald aus. „Wenn der Bund jetzt nicht nachlegt, würgt er das Wachstumspotenzial des Fahrrads als klimafreundlichstes Verkehrsmittel ab“, so Schneider. „Finanzminister Lindner muss jetzt mit dem Klimaschutzsofortprogramm eine auskömmliche Finanzierung bis 2030 für den Radverkehr sicherstellen.“

Das Programm „Stadt und Land“ ist Teil des Klimapakets von 2019. Die damalige Bundesregierung hat bis 2023 zusätzliche 900 Millionen Euro für den Ausbau der Radinfrastruktur in den Kommunen zur Verfügung gestellt, sodass der Radverkehrsetat des Bundes für den Zeitraum 2020 bis 2023 auf 1,4 Milliarden Euro gestiegen ist. Das Programm ist das erste des Bundes für den Ausbau kommunaler Radinfrastruktur.

Der Nachholbedarf in Städten und Gemeinden ist groß, wie die Resonanz auf das Programm zeigt. Nach einer Auswertung des ADFC, die der taz vorliegt, waren zum Jahreswechsel 2021/22 bereits 70 Prozent des gesamten Etats vergeben. Insgesamt wurden 925 Maßnahmen bewilligt.

Enormer Investitionsstau

Die hohe Nachfrage beweist nach Auffassung des ADFC, was die bisherige Fixierung auf den Autoverkehr bedeutet hat: „Der Radverkehr ist jahrzehntelang vernachlässigt worden, die meisten Radwege sind in erbärmlichen Zustand, viel zu ­schmal – oder sie fehlen einfach da, wo sie dringend gebraucht werden“, so Schneider. „Der Investitionsrückstau ist enorm, gleichzeitig wächst und wächst der Fahrradboom.“

Die bislang zur Verfügung gestellten Mittel reichten bei Weitem nicht aus. Außerdem sei die Laufzeit des Programms viel zu kurz. Länder und Kommunen bräuchten Planungssicherheit für Projekte, deren Vorlauf und Realisierung wie bei Fahrradbrücken oder Fahrradparkhäusern oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Ist dann die Anschlussfinanzierung nicht gesichert, droht ihnen das Aus.

Damit Deutschland die Klimaziele im Verkehr einhalten kann, muss nach Auffassung der Nationalen Plattform der Mobilität – einer von der vorherigen Bundesregierung eingesetzten Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on – die Radinfrastruktur bis 2030 verdreifacht werden. Das ist nach Einschätzung des ADFC nur zu erreichen, wenn die Mittel drastisch aufgestockt werden. „Das bedeutet: mindestens zehn Euro pro Person und Jahr vom Bund für den Radverkehr, bisher sind es fünf“, fordert Schneider. Insgesamt solle die öffentliche Hand pro Bür­ge­r:in und Jahr 30 Euro in den Radverkehr investieren. Neben den 10 Euro vom Bund, soll das Geld von Ländern und Kommunen bereitgestellt werden. Die Niederlande geben 35 Euro pro Kopf und Jahr für Radinfrastruktur aus.

Personalausstattung ist entscheidend

Bislang nehmen die Länder die Radförderung des Bundes sehr unterschiedlich in Anspruch. Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Hamburg haben das Programm bereits voll ausgeschöpft, hier stehen Projekte auf der Warteliste. Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz dagegen haben nach Einschätzung des ADFC Schwierigkeiten, die Mittel abzurufen.

Der Grund dafür ist dem ADFC zufolge die unterschiedliche Personalausstattung der Länder. Baden-Württemberg hat neun befristete Stellen eingerichtet, um Kommunen bei Anträgen zu unterstützen. In Berlin und Bremen dagegen hemmt der Personalengpass in der Verwaltung die Geschwindigkeit, mit der Mittel beantragt werden, so der ADFC. Dabei sind die Chancen gut, in den Genuss der Fördermittel zu kommen, wenn der Antrag erst einmal gestellt ist. Der Projektträger, das Bundesamt für Güterverkehr, muss innerhalb eines Monats Einwände erheben, ansonsten gelten die beantragten Maßnahmen als genehmigt.

Der Organisation hofft darauf, dass die Länder die Forderung nach mehr Bundesmitteln unterstützen. Bei der am Mittwoch beginnenden Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen­kon­fe­renz steht das Thema Radverkehr auf der Tagesordnung. Zu denjenigen, die eine Verlängerung des Programms Stadt und Land fordern, gehört der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU). Der enge Umsetzungszeitraum bis Ende 2023 sei ein Problem, so Althusmann. „Insofern bitte ich den Bund, zeitnah das Programm zu verlängern, um den Kommunen Planungssicherheit zu bieten.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.