Todestag prorussischer Aktivisten: Keine Heilung für die Wunden

Am Jahrestag des Feuers im Gewerkschaftshaus von Odessa gibt es keine Gedenkveranstaltungen. Wenige Worte Selenskis hätten Wunder wirken können.

Trauernde Frauen mit Kopftuch und Blumen in der Hand

Trauer um eine nur 28 Jahre alte Mutter und ihr 3 Monate altes Baby in Odessa Foto: Max Pshybyshevsky/ap

Wieder einmal jährt sich der Jahrestag des Todes von über 40 Antimaidan-Aktivist:innen, die am 2. Mai 2014 bei einem Feuer im Gewerkschaftshaus von Odessa ums Leben gekommen sind. Dass dieses Feuer keinem technischen Defekt, sondern politisch motivierter Brandstiftung geschuldet ist, liegt auf der Hand. Und was macht die ukrainische Regierung an diesem tragischen Jahrestag?

Sie macht, was sie immer all die anderen Jahre auch gemacht hat: Sie tut alles, um ein öffentliches Trauern um die Toten von Odessa unmöglich zu machen. Mal verbot man wegen des Coronavirus eine Versammlung zum Gedenken der am 2. Mai 2014 Getöteten, dann hatte man wegen einer Bombendrohung ausgerechnet zum Zeitpunkt einer geplanten Gedenkveranstaltung vor dem Gewerkschaftshaus von Odessa genau diesen Platz gesperrt.

Und dieses Jahr hat man sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: eine totale Ausgangssperre. Ganz unberechtigt ist diese Ausgangssperre nicht. Putin steht ante portas, eine militärische Eskalation im nur 100 Kilometer entfernten Transnistrien ist nicht mehr auszuschließen, ein russischer Angriff auf Odessa vor wenigen Tagen hat bereits eine 28-jährige Valeria, ihre drei Monate alte Tochter Kira und sechs weitere Menschen getötet.

Zu alldem auch noch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Anhängern der Maidan-Bewegung – das würde den russischen Aggressoren in die Hände spielen. Trotzdem: Mit Totschweigen wird eine gesellschaftliche Wunde nicht vernarben. Irgendetwas hätte man sich einfallen lassen müssen, was dem Sicherheitsbedürfnis genauso gerecht geworden wäre wie dem Recht auf öffentliche Trauer um die 42 Menschen, die bei lebendigem Leib verbrannt waren.

Nur zwei Minuten, gesprochen von Präsident Wolodimir Selenski, gerichtet an die Angehörigen, könnten Wunder bewirken, dem einen oder der anderen zeigen, dass dem Staat die Toten vom Gewerkschaftshaus in Odessa nicht egal sind. Stattdessen werden die Machthaber in der Ukraine auch dieses Jahr den 2. Mai wohl wieder wortlos verstreichen lassen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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