Autor über KI-Kunst: „Mehr als nur schnell rechnen“

Kunst, das kommt von Künstlicher Intelligenz: Hanno Rauterberg über den Traum von kreativen Maschinen.

An einem Tisch steht ein Roboter, der aussieht wie eine Frau mit langen schwarzen Haaren. Neben dem Tisch steht ein Kunstwerk

Ist das schon Kunst? Ro­bo­ter­künst­le­r:in Ai-Da neben einem eigenen Werk Foto: Jacob King/PA Wire/dpa

taz: Herr Rauterberg, inspiriert vom Untertitel Ihres Buches: Wer träumt den „Traum von der kreativen Maschine“?

Hanno Rauterberg: Es gibt erstaunlich viele Künstlerinnen und Künstler, die sich, seitdem es Computer gibt, von der Idee leiten lassen, damit etwas anzufangen. Das kann am Ende ein Gemälde abgeben oder ein Gedicht. Diese Begeisterung für die Technik hat sich noch mal verstärkt seit ungefähr zehn Jahren, als „Big Data“ zu einem Phänomen wurde und die Computer noch mal intelligenter geworden zu sein scheinen. Seither gibt es eben nicht nur Künstlerinnen und Künstler, die sich damit befassen, sondern vor allem auch große Unternehmen, die viel Geld investieren, und Programmierer, die sehr viel Zeit und Energie daran setzen, dass die Maschinen endlich auch kreativ werden.

Bei landläufig bekannt gewordener Anwendungen von künstlicher Intelligenz (KI) geht es um Zeitersparnis und darum, dass sie weniger Fehler mache als der Mensch. Ist das hier auch so?

Es gibt diese Idee der Rationalisierung, was Design angeht, auch in der Architektur; bei Gebrauchskunst im weiteren Sinne: Wenn es darum geht, Fahrstuhlmusik zu komponieren oder einen Trailer für einen Kinofilm zusammen zu schneiden, wird KI eingesetzt – weil es Zeit und Geld spart.

Hanno Rauterberg: „Die Kunst der Zukunft. Über den Traum von der kreativen Maschine“, Suhrkamp, Berlin 2021, 195 S., 16 Euro; E-Book 15,99 Euro

Lesung: heute, Mi, 27. 4., 19 Uhr, Hannover, Galerie Robert Drees,.Weidendamm 15

Und wenn wir von einem freieren Kunstbegriff ausgehen?

Dann kann man diese Frage natürlich stellen: Wo soll am Ende der Gewinn liegen? Ich glaube, nicht auf materieller Seite. Eher darin, zu beweisen, dass Computer mehr können als nur schnell rechnen und gut Schach spielen.

Nämlich?

Dass sie auch in der Lage sind, etwas von unseren geistigen Bedürfnissen zu begreifen und möglicherweise zu reproduzieren. Ich sage das mit großer Vorsicht, weil es sich dabei auch um ein ideologisches Projekt handelt. Am Ende geht es darum, dass wir in den Maschinen etwas anderes erblicken als nur den Apparat, dass wir der Maschine und auch den Programmen etwas zutrauen, von dem wir lange glaubten, dass es nicht möglich ist: dass die Maschine ein Gespür für Dinge entwickeln kann, die wir Kunst nennen – letztlich, weil wir dafür keinen besseren Begriff haben. Es geht also um das Metaphysische, um das Schöne, um Dinge, die nicht bezifferbar sind.

Sie schreiben, dass „regelhafte Anteile eines kreativen Prozesses“ sich schon recht erfolgreich sozusagen outsourcen lassen an KI.

* 1967 in Celle, ist promovierter Kunsthistoriker und seit 2014 stellvertretender Feuilleton-Chef der Zeit.

Was KI derzeit beherrscht, sind sogenannte schwach kreative Prozesse, die Rekombination bestimmter Muster. Sie kann etwa erkennen, wie ein Bach-Choral aufgebaut ist und kann diese Elemente dann nach Belieben kombinieren, sodass auch die Bach-Fachwelt staunt und denkt: Da ist ein neuer Choral aufgetaucht. Wenn wir aber von einem starken, hohen kreativen Begriff ausgehen, wenn wir erwarten, dass uns eine kreative Maschine so verblüfft, wie es beispielsweise Marcel Duchamp gelungen ist, als er seinen Flaschentrockner ins Museum trug und sagte: „Das ist jetzt Kunst“, darauf müssen wir, glaube ich, noch sehr lange warten.

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