„Polizeiruf 110“ aus Rostock: Grauen in der Vorstadt

Im Rostocker „Polizeiruf“ ermittelt Katrin König erstmals allein. Wieso wurden eine Alleinerziehende und ihr Sohn mit Schwerbehinderung umgebracht?

Filmszene aus "Polizeiruf 110"

Kommissarin Katrin König ist irritiert: Wieso mischt sich Melly Böwe in den Fall ein? Foto: Christine Schroeder/NDR

Wenig heiter geht es in Rostock nach dem Weggang von Sascha Bukow weiter. Kommissarin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) versucht mithilfe eines Brotback-und-Meditations-Podcasts und einem selbst gemachten Sauerteigbrot wieder ins Leben und zu alter Stärke zurückzufinden. Überraschenderweise klappt das aber gar nicht so gut.

Wie praktisch, dass der Doppelmord an einer alleinerziehenden Mutter und ihrem 16-jährigen schwerbehinderten Sohn sie aus ihrer dumpfen Lethargie und vom Teig befreit. Wie so oft, täuscht die scheinbar friedvolle Vorstadtidylle über die tiefen Abgründe ihrer Be­woh­ne­r*in­nen hinweg. Zwischen all dem hübschen Familienheil brodelt es gewaltig. So war es auch beim Mordopfer Rieke Sommer, die mit einem Messer tödlich verletzt wurde, und ihrem Sohn David, der aufgrund eines Unfalls körperlich fast gänzlich bewegungsunfähig war und kurz nach seiner Mutter durch einen Schlaganfall aus dem Leben schied, weil niemand mehr seine Infusion wechseln konnte.

Das Zweiergespann war zuvor von der Gemeinschaft fallen gelassen worden, zu schwer erschien der Umgang mit Krankheit und Trauer. Während Rieke verzweifelt die Aufmerksamkeit von Männern suchte und doch immer nur kurzes Vergnügen fand, betäubte David sich mit seinem Freund Max (Alessandro Schuster), um die körperlichen und emotionalen Wunden wenigstens für eine kurze Zeit vergessen zu können.

Und davon gibt es auch in Max’ Leben einige: Er lebt, genau wie seine Schwester Emma (Paraschiva Dragus), bei einer nach außen hin herzlichen und zugewandten Pflegefamilie. Doch je tiefer der Blick geht, desto mehr zeigt sich: Jule und Holger Genth (Susanne Bormann und Jörn Knebel) sind alles andere als die nette Lehrerfamilie von nebenan, die der Gesellschaft und deren verletzlichsten Geschöpfen, nämlich Kindern ohne Vertrauenspersonen, etwas zurückgeben wollen.

Rostock-„Polizeiruf 110“: „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“, So., 20.15 Uhr, ARD

Trotz schwerer und gut gewählter Thematik und solider Leistungen der Schau­spie­le­r*in­nen braucht dieser erste Soloauftritt von Katrin König eine Weile, um in Fahrt zu kommen und wird erst zum Ende hin spannend. Der Mord gerät zur Nebensache, der Fokus liegt auf den zerrütteten Verhältnissen in Pflegefamilien und was dies bei noch jungen, traumatisierten Menschen anrichten kann. Großes Plus: Die Bukow’schen Unterweltsbeziehungen scheinen vorerst auserzählt zu sein.

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