#LinkeMeToo in Hessen: Landesverband will aufklären

Nach Vorwürfen von Übergriffen will die Linke nun eine „Kultur des Hinschauens“ in der Partei etablieren. Über das „Wie“ gibt es Unstimmigkeiten.

Eine Brille liegt auf einer Broschüre mit dem Parteilogo der Linken

Trotz fünf Jahren #metoo-Debatte: Die Linke ist vollkommen unvorbereitet Foto: Stefan Boness/Ipon

FRANKFURT taz | Transparente und rückhaltlose Aufklärung verspricht der hessische Landesverband der Linken, der seit Ostern im Zentrum von öffentlichen Missbrauchsvorwürfen steht. Nach einer Krisensitzung des Landesvorstands bat am Donnerstag der Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzende Jan Schalauske ausdrücklich „alle Opfer“ um Entschuldigung. Schalauske bekannte, er sei „tief erschüttert“ und räumte ein, die tiefe Krise, in der sich die Linke ohnehin befinde, werde durch diese Fälle zusätzlich erschwert.

Für die Aufklärung der hessischen Fälle bittet die Landespartei um Unterstützung. Die von der Bundespartei eingesetzten Vertrauensleute und ExpertInnen sollen danach auch die Vorfälle aus Hessen untersuchen, so Schalauske. Positiv bewertet der Landesverband die Ankündigung der aus Hessen stammenden Bundesvorsitzenden Janine Wissler, nicht zurückzutreten. Wissler habe im November 2021, als sie zum ersten Mal von konkreten Missbrauchsvorwürfen erfahren habe, die zuständigen Vorstandsgremien informiert, sagte der stellvertretende hessische Landesvorsitzende Michael Erhardt. Die bizarren Szenen, die der Spiegel über ihren ehemaligen Partner zuletzt beschrieben habe, kenne auch Wissler erst seit Ostern, so begründete Erhardt die Vertrauenserklärung des Landesvorstands.

Die Gremien der hessischen Linken haben sich danach mit Vorwürfen gegen drei Funktionsträger befasst. Nur in einem Fall habe eine Betroffene das Gesprächsangebot des Landesvorstands angenommen, so die Landesvorsitzende Petra Heimer. Im Übrigen sei der Vorstand bislang auf Medienberichte und Beiträge in sozialen Medien angewiesen, was die Sache nicht erleichtere.

Trotz der schwierigen Entscheidungsgrundlage seien inzwischen zwei beschuldigte Mitarbeiter beurlaubt, einer von ihnen ist Referent der Landtagsfraktion, der andere Wahlkreismitarbeiter einer Abgeordneten; ein dritter Beschuldigter arbeite nach wie vor für die Rosa-Luxemburg-Stiftung und gehe juristisch gegen die Vorwürfe vor, war von den VertreterInnen des Landesvorstands auf der Pressekonferenz zu erfahren.

Hinter den Kulissen gibt es allerdings offenbar Kritik am Umgang des Landesvorstands mit den Beschuldigten. So beklagen die früheren Landtagsabgeordneten Gabriele Faulhaber und Marjana Schott in internen Stellungnahmen die dürftigen Beweise, die dem Vorstand vorgelegen hätten. Schott hat die Partei deshalb sogar unter Protest verlassen und ihr Amt als stellvertretende Landesvorsitzende aufgegeben.

Es brauchte einen „Weckruf“

Einig sind sich die Gremien indes über die Konsequenzen für die Zukunft. Bereits am 4. April hatte der Vorstand einen Verhaltenskodex verabschiedet und die Etablierung unabhängiger Vertrauenspersonen angekündigt. „Wir dulden in unseren Reihen keine Grenzverletzungen. Jeder und jede ist aufgefordert, unmittelbar zu reagieren, wenn er oder sie in unseren Reihen solche Grenzverletzungen wahrnimmt“, heißt es da. Eine Kultur des Hinschauens soll in der Partei etabliert werden. Der Vorstand diskutiert sogar, künftige Funktionsträger zu entsprechenden Schulungen zu verpflichten.

Die Frage, weshalb die Partei im fünften Jahr der metoo-Debatte offenbar unvorbereitet in diesen Missbrauchsskandal geraten konnte, vermochten die VertreterInnen des Landesvorstands nicht zu erklären. Dass davon „nichts in die Gremien reingeschwappt ist, das war ein Fehler, für den wir uns entschuldigen müssen“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Erhardt. Es habe offenbar erst eines „Weckrufs“ bedurft, so der Landesvorsitzende Schalauske.

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