Kifferdemo in Berlin: Schluss mit der Bigotterie

Auf der Kifferdemo wird ein Ende des Cannabisverbots gefordert. Allen voran: ein Berliner Jugendrichter.

Zwei Personen verkleidet als Cannabis-Blätter

Protest gegen die Kriminalisierung von Cannabis am Kiffertag am Brandenburger Tor Foto: Lisi Niesner/reuters

BERLIN taz | Und da tritt er auch schon auf die vor dem Brandenburger Tor aufgebaute Bühne, der Mann, den hier, auf der Kifferdemo am Mittwochnachmittag, alle zu kennen und zu lieben scheinen: Richter Andreas Müller. Der Sechzigjährige, Jugendrichter in Berlin, spricht sich schon seit Langem für die Entkriminalisierung von Gelegenheitskiffern und die Legalisierung von Cannabis aus. Inzwischen ist Müller regelrecht Kult und die meist jungen Menschen, die sich zum sogenannten 420 day, dem weltweiten Aktionstag gegen das Verbot von Cannabis, hier versammelt haben, holen ihre Handys aus den Taschen, um den Richter, der die Demo mitorganisiert hat, zu filmen.

Müller sagt in seiner Rede, seine Tochter habe ihm geraten, sich nicht so aufzuregen, und das würde er nun für die nächsten drei Minuten auch versuchen. Aber er klingt dann doch ziemlich emotional, als er loslegt. Ganz normale Bürger, die einer Arbeit nachgehen und Steuern bezahlen, würden kriminalisiert, bloß weil sie sich hin und wieder einer Feierabendjoint gönnten. Und das, während man gleichzeitig in Deutschland „trinken, trinken, trinken“, sich gar „besaufen“ dürfe. Mit dieser Bigotterie müsse endlich Schluss sein.

Als wollte die Berliner Polizei Richter Müllers Worte unterstreichen, ist sie massiv präsent und kontrolliert Demonstrierende, die etwas Joint-ähnliches in der Hand halten.

Eigentlich könnte man annehmen, Richter Müller müsste sich überhaupt nicht mehr so aufregen. Schließlich ist eines der großen Versprechen der Ampelkoalition, die Legalisierung endlich auf den Weg zu bringen. Als die Parteien der Bundesregierung bei ihren Sondierungen noch um alles Mögliche vom Tempolimit bis zur Ausgestaltung der Schuldenbremse stritten, konnten sie immerhin in diesem Punkt bereits früh Einigkeit verkünden: Kiffen soll endlich, ohne den ewigen Bremsklotz CDU, legalisiert werden.

Jährlich 180.000 verfolgte Konsumenten

Doch spricht man mit Richter Müller am Telefon, sagt der, die bisherige Performance der Ampelregierung rund um das Thema Cannabis sei eine „Unverschämtheit“. Und auch jetzt vermag er einfach nicht, den Ratschlag seiner Tochter zu befolgen. „Ich bin natürlich wütend“, sagt er, „man hätte schon lange einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung einbringen können.“ Hier spricht einer, der mit seiner Geduld hörbar am Ende ist: „Es kann nicht angehen, dass man noch ein Jahr warten muss. Ein Jahr, in dem weiterhin 180.000 Konsumenten verfolgt werden. In dem täglich Leute vor Gericht gestellt und verurteilt werden.“

Georg Wurth, Sprecher des Deutschen Hanfverbands, klingt am Telefon nicht ganz so aufgebracht wie Richter Müller, kann diesen aber gut verstehen. „Es geht darum, mehr Motivation zu erzeugen bei der Ampelkoalition“, sagt er, „wir befürchten auch, dass das nichts mehr wird mit der Legalisierung vor der nächsten Bundestagswahl, vor lauter Corona in Karl Lauterbachs Kopf.“ Der Gesundheitsminister ist schließlich als Erster gefragt, hier etwas voranzubringen. Doch der hat bereits gesagt, dass er dieses Jahr dafür wohl keine Zeit finden werde.

Die SPD, die inzwischen selbst in der Ukraine als Schnarchnasen-Partei Deutschlands bekannt ist, kriegt also mal wieder nichts geregelt. Die Demo vor dem Brandenburger Tor zieht deswegen auch weiter zur SPD-Parteizentrale, zu einem „Smoke In“. Später soll im Görlitzer Park weitergekifft werden.

Mitte August findet in Berlin dann die Hanfparade statt. Richter Müller fordert dazu auf, dass auch zu dieser möglichst viele Leute erscheinen sollen. Und er hofft immer noch, dass bis dahin ganz legal an den Joints gezogen werden darf.

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