Explodierende Baukosten: Baustopp für Sozialwohnungen

„Bauen, bauen, bauen“ hieß Hamburgs Antwort auf steigende Mieten. Wegen höherer Kosten müssen Wohnungsunternehmen nun Neubauprojekte verschieben.

Ein Kran ragt über eine Baustelle

Liegen erst mal auf Eis: Bauprojekte in Norddeutschland Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Stahl, Holz und Arbeitskraft: Alles, was es heute zum Neubau braucht, ist teurer geworden. Deshalb befürchten zahlreiche norddeutsche Unternehmen für sozialen Wohnungsbau, die Neubauprojekte nicht angehen zu können, die sie für 2022 geplant hatten. Das geht aus einer Befragung von 104 Wohnungsunternehmen hervor, die der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) am Montag veröffentlichte. Darin hieß es weiter, dass 86 Prozent der Unternehmer die Zukunft im Neubaugewerbe als schlecht oder sehr schlecht bewerten.

Grund dafür seien die gestiegenen Preise von Baumaterialien, gestörte Lieferketten sowie Personalmangel in den Unternehmen. 60 Prozent der befragten Unternehmen wollten deshalb den Start von Neubauprojekten verschieben, die für 2022 geplant waren, oder sind sich über den Baustart noch unsicher. Das betrifft laut Angaben des Verbandes den Baustart von rund 3.000 Wohnungen in Norddeutschland, 1.300 davon in Hamburg.

Der Hamburger Senat hat die Zielvorgabe, rund 10.000 neue Wohnungen jährlich zu bauen. 35 Prozent dieser Wohnungen sollten Sozialwohnungen sein, also von der Stadt gefördert und mit einer Miete zwischen 6,80 und neun Euro. Nachdem dieses Ziel in den vergangenen Jahren recht zuverlässig erreicht wurde, verfehlte die Stadt es 2021 deutlich: Statt eines Drittels wurden im vergangenen Jahr nur ein Fünftel der neu entstandenen Wohnungen subventioniert. Die Subventionierung beinhaltet auch eine Mietpreisbindung.

VNW-Direktor Andreas Breitner geht nun davon aus, dass die selbst gesteckten Vorgaben wegen der Lage in der Branche 2022 erneut gerissen werden. „Ich fürchte einen deutlichen Rückgang des Wohnungsneubaus in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg“, so Breitner in einer Mitteilung des Verbandes. Gerade in Ballungszentren wie Hamburg werde sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen.

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen

„Das Problem ist: Die hohen Baukosten sind für alle gleich und wer keine Mondmiete nehmen will, der ist raus“

Die Genossenschaften stehen vor einem zentralen Problem: Im Gegensatz zu kommerziellen Vermietern können sie die Preissteigerungen nicht einfach an Mieter weitergeben. Denn diese können für die gestiegen Preise nicht aufkommen. Daher ist bisher der Baustopp die einzige Option, um Kosten zu decken.

Gesteigert werde die Planungsunsicherheit für die Wohnungsbaugesellschaften zudem durch Zulieferer und Bauunternehmer, die keine genauen Preise für Projekte nennen könnten. Weil die Energiekosten aktuell stark schwanken, sind langfristige Vorhaben wie Bauprojekte kaum planbar – zumal die laufenden Kosten für Bauunternehmen teils deutlich gestiegen sind. In Schleswig-Holstein etwa berichten 15,4 Prozent der befragten Unternehmen von einer Preissteigerung von bis zu 50 Prozent.

Kommunen und Städte könnten zwar für die Preissteigerungen einspringen, doch die nötige Summe wäre enorm. Laut VNW-Angaben müsse man bei Neubauprojekten heute mit einer Nettokaltmiete zwischen 14 und 15 Euro pro Quadratmeter rechnen – statt höchstens neun Euro Miete pro Quadratmeter, wie bei Sozialwohnungen vorgesehen. Für die Differenz kann auch die öffentliche Hand nicht aufkommen. „Das Problem ist: Die hohen Baukosten sind für alle gleich und wer keine Mondmiete nehmen will, der ist raus“, so VNW-Chef Breitner. Daher liegt ein Großteil der geplanten Projekte vorerst auf Eis.

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