Expo 2020 in Dubai geht zu Ende: Ausbeutung hinter den Kulissen

In Dubai endet die Expo 2020 mit pompöser Show und Feuerwerk. Die Ausstellung sollte nachhaltiger und fair sein – das hat nicht geklappt.

Eine schwarz gekleidete, blonde Frau singt vor einem rot beleuchteten Hintergrund

Für viele ein Highlight der Expo-Abschiedsshow: Pop-Star Christina Aguilera Foto: Anthony Fleyhan/Expo 2020 Dubai/reuters

BEIRUT taz | Mit einer Licht- und Lasershow, emotionaler Musik, drei Feuerwerken und Gesang von Christina Aguilera und Norah Jones ist die Weltausstellung Expo2020 in Dubai zu Ende gegangen. Die Show passt zu dem Megaevent, das die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen als „größte Show aller Zeiten“ anpriesen. Der Minister für Toleranz und Koexistenz, Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan, sagte zum Abschluss, die Expo habe gezeigt, dass die Vereinigten Arabischen Emirate ein Land der „Toleranz, Koexistenz und Frieden“ seien.

Die Emirate haben einen politischen „Soft-Power-Rat“, der das Ansehen des Landes im Ausland als „tolerant“ und „modern“ steigern soll. Die Expo2020 ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Doch Glitzer, Glamour und Attraktionen verbergen, auf wessen Rücken das alles gebaut ist.

Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten im Privatsektor der Emirate sind ausländische Arbeitskräfte. Angaben der Expo zufolge haben 40.000 Menschen die Infrastruktur gebaut, 50 Hauptauftragnehmer und mehr als 2.000 Unterauftragnehmer profitierten von 250 Millionen geleisteten Arbeitsstunden. Der Expo-Manager für „Lernen und Entwicklung“ sagte in einem Presse-Statement: „Unsere Mitarbeitenden konnten so viel von der Welt erleben, und auch Konzerte mit Weltstars zu besuchen – das war eine sehr motivierende Erfahrung.“

Ausländische Arbeitende sind Zwang ausgesetzt

Ein anderes Bild zeichnet die Befragung der Beratungsfirma Equidem mit Sitz in London. Die Arbeitsrechtsgruppe hat mit 69 Ar­bei­te­r*in­nen der Expo2020 gesprochen, die im Gastgewerbe, Einzelhandel, Bauwesen oder in Sicherheitsfirmen arbeiten. In dem Bericht heißt es, dass die Mehrheit Zwangsarbeitspraktiken ausgesetzt ist. Nur einer der befragten Ar­bei­te­r*in­nen war im Besitz seines Reisepasses. Dabei verbietet das Gesetz der Emirate es Arbeitgeber*innen, den Pass ihrer Mitarbeitenden zu beschlagnahmen.

Mehr als die Hälfte der Befragten hatte zwischen 50 und 2.069 US-Dollar an Rekrutierungskosten bezahlt, obwohl das nach den Gesetzen der Emirate verboten ist. Zwei Drittel gaben an, dass sie ihre Löhne, Überstunden, Jahreszuschläge oder andere Leistungen nicht immer pünktlich oder vollständig bezahlt bekamen. Eine häufige Beschwerde waren Gehaltskürzungen. Ein pakistanischer Bauarbeiter sagte, er habe über neun Stunden am Tag arbeiten müssen. Die Ar­bei­te­r*in­nen aus Bangladesch, Indien, Kenia, Nepal, Pakistan und sechs afrikanischen Ländern beklagten sich auch über rassistische Diskriminierung.

Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen wehren sich gegen die Vorwürfe. Die Expo habe Standards für die soziale Absicherung etabliert. Dazu zählt eine faire Anwerbung ohne Kosten für die Bewerber*innen, sicherzustellen, dass Mitarbeitende die Bedingungen ihres Arbeitsvertrags verstehen, Löhne und Sozialleistungen pünktlich und vollständig auszuzahlen, den Zugang zu Beschwerde- und Abhilfemechanismen sicherzustellen und keinerlei Zwangs- oder Kinderarbeit zu nutzen.

Außerdem wird explizit die Praxis des Kafala-Systems verboten, die es Ar­beit­ge­be­r*in­nen erlaubt, Pässe der Angestellten zu konfiszieren. „Unsere Standards sind in allen Expo 2020-Verträgen festgeschrieben“, heißt es in einem Expo-Pressestatement. Das Kafala-System ist anfällig für Machtmissbrauch, denn es schreibt jedem ausländischen Arbeitenden einen einheimischen Bürgen vor, meist ist es der Arbeitgebende.

Auch von Sub-Unternehmen und Part­ne­r*in­nen der Expo wurde verlangt, sich dessen zu verpflichten. Man habe häufige Inspektionen der Arbeits- und Lebensbedingungen der Ar­bei­te­r*in­nen durchgeführt, so die Expo. „Die Absicherung von Arbeitern ist eine soziale Verantwortung, und es ist fest in unserer Zielsetzung verankert, eine nachhaltige Expo (…) zu veranstalten.“

Expo-Gebäude sollen von IT-Firmen weiter genutzt werden

Zur Nachhaltigkeitsstrategie gehört auch, die Expo-Gebäude weiter zu nutzen. „Über 80 Prozent dieser Strukturen werden zum Distrikt2020 umgebaut“, erklärte die Leiterin des Expo-Nachhaltigkeitskomitees, Dina Storey, der taz. „Das wird eine neue Smart City. Dass wir das im Vorhinein eingeplant haben, macht die Gebäude nachhaltig.“

Nachdem der Bauboom mit der globalen Finanzkrise 2008 ein zackiges Ende nahm, fokussierte sich die Regierung der Stadt Dubai auf Logistik und den großen Hafen in Jabal Ali. Das „Dubai Multi Commodities Centre“ bietet die Infrastruktur für den globalen Rohstoffhandel, dort ansässige Firmen sind von der Steuer befreit. Dubai soll zudem Drehscheibe für Technologie-Firmen werden, mit schnellem Internet, digitaler Bürokratie und dem weltweit fortschrittlichsten Internet der Dinge (IoT) in der „intelligentesten Stadt der Welt“.

In der „Dubai Internet City“ und der „Dubai Media City“ sitzen IT-Firmen wie Microsoft und IBM sowie Medienorganisationen wie CNN, Reuters und AP. Der Technologie-Park des Expo-Geländes soll zu diesem Wachstum von Dubais Innovationswirtschaft beitragen. In der neuen Smart City sollen Autos automatisch fahren, Start-Ups mit künstlicher Intelligenz, Big Data und Blockchain arbeiten. Wenn Öl und Gas zur Neige gehen, müssen die Stadt Dubai und die Länder auf der arabischen Halbinsel der Welt etwas bieten, das über spektakuläre Architektur hinausgeht.

„System basiert auf Immobilienspekulation“

Doch die Expo hinterlässt eine Infrastruktur, die in Dubai nicht wirklich gebraucht wird, sagt der Architektur-Professor Yasser Elsheshtawy. „Wenn ich mir die Pläne und Vorschläge anschaue, dann folgt das wieder dem gleichen alten Modell, das wir woanders in der Stadt auch sehen: Ein System, das auf Immobilienspekulation und Investitionen basiert; darauf, dass Außenstehende kommen und ihr Geld waschen, um es dann zu investieren. Also es ist nicht vielversprechend und bietet kein neues Urbanitätsmodell an, das wirklich ein Vorbild für eine nachhaltigere Lebensweise sein könnte.“

Er plädiert dafür, lieber die vorhandene Infrastruktur zu verändern: „Bestimmte Gebiete verdichten, die Stadt kompakter gestalten, urbane Zentren fördern und Räume schaffen, die wirklich inklusiv sind für die unterschiedlichen Menschen, die in der Stadt leben: Arbeitende und Dienstleistende, Frauen und Männer, Kinder und Ältere.“ All deren Bedürfnisse müssten berücksichtigt werden, anstatt die Stadt fortlaufend in die Wüste auszudehnen.

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