Rechtsextremismus-Razzia in Berlin: Neuköllner Neonazi im Visier

Ein geplanter Prozess gegen Maurice P. wurde verschoben. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Neonazi-T-Shirt-Aufdruck von hinten: "Wir klagen nicht, wir kämpfen"

Teilnehmer des Rufdolf-Heß-Aufmarsches 2018 in Freidrichshain Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Neuköllner Neonazi Maurice P. Am Mittwochmorgen durchsuchten Beamte dessen Wohnung. Nach taz-Informationen wird P. die Mitgliedschaft in der „Atomwaffen Division Deutschland“ vorgeworfen, einer laut Bundesanwaltschaft rechtsextremen, terroristischen Vereinigung mit Ursprung in den USA. Festgenommen wurde P. nicht.

Die Razzia war Teil einer Groß­ermittlung gegen die Szene, bei der 800 Po­li­zis­t:in­nen bundesweit 61 Wohnungen von 50 beschuldigten Neonazis durchsuchten. Vier Verdächtige wurden festgenommen, darunter der Eisenacher Leon R., dem der versuchte Aufbau der „Atomwaffen Division“ in Deutschland zur Last gelegt wird.

Der 29-jährige Berliner P. sollte sich am Mittwoch eigentlich vor dem Amtsgericht Tiergarten unter anderem wegen eines Messerangriffs auf einen Deutschjamaikaner verantworten. Vorgeworfen wird P., am 4. Juli 2021 vor einer Diskothek in Rudow den Mann rassistisch beleidigt und danach mit einem Messer am Hals verletzt zu haben. Für eine von der Staatsanwaltschaft zunächst geplante Anklage wegen versuchten Mordes fehlten die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen.

Zu dem nun erhobenen Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung kommen weitere hinzu, etwa wegen des öffentlichen Zeigens des Hitlergrußes und eines Hakenkreuz-T-Shirts sowie einem körperlichen Angriff auf Linke. Die sechs angesetzten Verhandlungstermine wurden aufgehoben; das Gericht nannte dafür nicht die Razzia, sondern „organisatorische Gründe“.

Verbindungen zum Neukölln-Komplex

Laut dem innenpolitischen Sprecher der Linken, Niklas Schrader, gehört P. „zum engeren Umkreis“ der Hauptbeschuldigten der rechtsextremen Neuköllner Terrorserie. Er habe mit Sebastian T. und Tilo P. in Kontakt gestanden und gemeinsam Veranstaltungen besucht, so Schrader. Im Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex, dessen Einsetzung am Donnerstag mit der ersten Lesung im Abgeordnetenhauses eingeleitet wird, soll das Netzwerk um die Hauptverdächtigen aufgeklärt werden.

Laut einem Gastbeitrag der Antifa-Initiative „Neukölln Watch“ im Antifaschistischen Infoblatt ist Maurice P. erstmals bei der Rudolf-Heß-Demonstration 2018 in Erscheinung getreten. Danach soll er sich an der „Schutzzonen“-Kampagne der NPD beteiligt haben, einer auf inszenierte Bilder angelegte Bürgerwehrkampagne. Einem Artikel der Morgenpost zufolge gilt P. bei Sicherheitsbehörden als Führungsfigur der militanten Neonazi-Szene und Teil des Umfeldes der verbotenen Neonazi-Organisation „Combat 18“. Zudem sei er als einer von bundesweit 75 rechtsextremen Gefährdern eingestuft. Neukölln Watch hatte dagegen Zweifel formuliert, dass P. zur „Führungsfigur taugt“.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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