Sanktionen und Devisen: Wenn Wirtschaft zur Waffe wird

Vertragsverletzungen sind logische Folge eines Krieges. Der Westen wie Putin verletzen Verträge und sind überrascht, wenn die andere Seite es tut.

Blick auf vier Türme eines Erdgasspeichers

Erdgasspeicher in Rehden, dem größten Speicher in Westeuropa Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Der Krieg macht auch vor zivilen Verträgen nicht halt – das ist eine Banalität, die aber weder die Russen noch der Westen rechtzeitig begriffen haben. So war der russische Präsident Putin bass erstaunt, dass die westlichen Zentralbanken einfach seine Devisenguthaben eingefroren haben. Jetzt liegen geschätzte 400 Millarden Dollar und Euros nutzlos auf russischen Konten im Westen und können nicht mehr dazu dienen, den Wechselkurs des Rubels zu stützen.

Putin hatte offenbar gedacht, dass russisches Eigentum auch im Westen geschützt sei. Ein Irrtum. Seltsamerweise sitzt der Westen den gleichen Fehlannahmen auf. Wortreich empört man sich, dass Russland möglicherweise Rubel für seine Gasexporte verlangt – obwohl in den Lieferverträgen eindeutig festgelegt ist, dass der Westen in Euro und Dollar zahlt. Es stimmt, dass Russland einen Vertragsbruch begehen würde, aber der Westen hat mit seinen Sanktionen ebenfalls zahllose Absprachen verletzt.

Man hätte mit wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen aus Russland rechnen müssen. Ein bitterer Wirtschaftskrieg ist auch in der Luftfahrt ausgebrochen. Die westlichen Sanktionen sahen unter anderem vor, dass russische Fluglinien Europa und die USA nicht mehr ansteuern dürfen, dass russische Maschinen keine Ersatzteile mehr bekommen – und dass alle westlichen Leasingverträge zu kündigen sind. Bis Ende März hätten die russischen Fluglinien 500 Maschinen verloren und ihren Betrieb weitgehend einstellen müssen.

Also hat Putin diese geleasten Flugzeuge faktisch geklaut. Sie wurden nicht zurückgegeben, sondern als Eigentum der russischen Linien registriert. Viel nutzen dürfte dies nichts. Ohne westliche Ersatzteile müssen die Flugzeuge bald am Boden bleiben. Trotzdem beträgt der Schaden für die westlichen Leasingfirmen mehr als zehn Milliarden Dollar. Allerdings könnte sich nun wiederum der Westen rächen, indem er die Leasingfirmen aus dem blockierten russischen Vermögen bei den hiesigen Zentralbanken entschädigt.

Der Wirtschaftskrieg hat auch unbeabsichtigte Folgen. So könnten Rosneft Deutschland und Gazprom Germania auf den technischen Konkurs zuschlittern, weil westliche Geschäftspartner jeden Kontakt mit russischen Firmen meiden. Die Bundesregierung erwägt daher offenbar, die beiden Firmen zu verstaatlichen. Damit will man aber Russland nicht strafen, sondern nur die Arbeitsplätze retten und die Gasspeicher funktionsfähig halten.

Die Sanktionen waren richtig und treffen Russland empfindlich. Nur sollte sich niemand wundern, dass sich Putin wehrt, wenn die Wirtschaft zur Waffe wird.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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