Lukaschenko und der Ukraine-Krieg: Ungebetene Ratschläge aus Minsk

Selenski solle Moskaus Bedingungen für einen Frieden annehmen, rät der belarussische Autokrat Lukaschenko. Er selbst hat sich schon unterworfen.

Lukaschenko und Putin sitzen am Kamin

Kennt sich mit Kapitulation aus: Alexander Lukaschenko mit Wadimir Putin kürzlich im Kreml Foto: Mikhail Klimentyev/ap

Russlands Präsident Wladimir Putin mag der Wirklichkeit mittlerweile komplett entrückt sein, wer weiß? Auf seinen Lakaien Alexander Lukaschenko jedoch trifft diese Diagnose ganz gewiss zu. Der selbst ernannte belarussische Staatschef erklärt gerne die Welt – zuletzt gegenüber einem japanischen Fernsehsender.

Seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski, der im Gegensatz zu ihm demokratisch gewählt ist, empfahl er, Russlands Bedingungen für einen Friedensschluss zu akzeptieren. Sonst sei die Kapitulation nur noch eine Frage der Zeit. Belarus werde sich vom Westen nicht in diesen Konflikt hineinziehen lassen, er schließe aber eine Beteiligung belarussischer Soldaten an den Kampfhandlungen im Falle einer Eskalation nicht aus.

Nun ja, Lukaschenko kennt sich eben mit Kapitulationen aus. Vor Putin hat er schon längst die Waffen gestreckt. Moskaus freundliche Übernahme auf der Grundlage des wieder zum Leben erweckten Unionsvertrages von 1999 ist in vollem Gange und dürfte demnächst abgeschlossen sein.

Dass Lukaschenko eine Niederlage nebst unrühmlichem Abgang zu Hause bislang abwenden konnte, ist um den Preis heftigster Repressionen gegen die eigene Bevölkerung erkauft. Der UN-Menschenrechtsrat spricht in seinem jüngsten Bericht von über 13.000 Menschen, die wegen der Proteste gegen die gefälschte Präsidentenwahl von 2020 festgenommen wurden – Folter, Vergewaltigungen und Schauprozesse inklusive. Wen wundert es da noch, dass die Be­la­rus­s*in­nen nicht mehr auf die Straße gehen?

Doch ob diese Friedhofsruhe noch lange währt, ist fraglich. Es ist hinreichend belegt, dass belarussische Truppen bereits in der Ukraine unterwegs sind. Auch der Umstand, dass täglich verwundete und tote russische Soldaten in Belarus eintreffen, lässt sich nicht länger geheim halten und verfehlt seine abschreckende Wirkung nicht.

Angesichts der dünnen Personaldecke bei den russischen Truppen könnte die belarussische Armee aus dem Kreml schon bald ein „offizieller“ Einberufungsbefehl ereilen, sollte die „Spezialoperation“ in der Ukraine noch länger dauern. Das wäre dann, nach 2020, die zweite Kriegserklärung an die belarussische Bevölkerung. Und diesmal vielleicht tatsächlich der Anfang vom Ende Lukaschenkos.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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