Zukunft der Energiewende: Vorbei mit Versorgungssicherheit

Die Hoffnung, der Krieg werde die Energiewende vorantreiben, könnte sich als Illusion erweisen. Die internationale Kooperation gerät ins Wanken.

Anlage einer Erdgasverdichterstation in Mallnow nahe der polnischen Grenze

Die Verdichterstation in Mallnow, Brandenburg, übernimmt vorwiegend russisches Erdgas Foto: Patrick Pleul/dpa

Bei der Debatte über die Importe von russischem Gas und Öl und einem möglichen Embargo steht ein Begriff zu Recht ganz vorn: die Versorgungssicherheit. Sie ist lebenswichtig, damit Lieferketten und Kommunikationswege funktionieren und nicht im Krankenhaus die Lichter ausgehen. Diese Sicherheit garantierten bisher heimische Kohle und Erdgas aus Russland. Das war billig. Jetzt zahlen wir den hohen Preis: politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Schurkenstaat.

Damit soll es jetzt vorbei sein. Der brutale russische Überfall auf die Ukraine, so heißt es, treibt international die Energiewende voran. Denn Erneuerbare sind nicht nur ökologisch und ökonomisch die bessere Alternative, sondern sichern auch Frieden und Unabhängigkeit. So jedenfalls die Hoffnung der globalen Gemeinde für Klimaschutz, die sich auf Einladung der Bundesregierung in Berlin zum „Energiewendedialog“ trifft. Die These hat ihren Charme. Aber sie ist falsch.

Denn der Krieg in der Ukraine zerstört auch ein fragiles Gerüst für internationale Kooperation, die für Klima- und Energiepolitik nötig ist. Warum sollte jemand das Pariser Klimaabkommen einhalten, wenn einer der größten CO2-Verschmutzer das Völkerrecht mit Füßen tritt? Was soll aus einem UN-Klimaprozess werden, wenn ein Mitglied des Sicherheitsrats brutal alle Absprachen bricht?

Und es bedeutet auch nichts Gutes, dass Länder wie China, Indien oder Brasilien, ohne die die internationale Energiewende nicht funktioniert, Russlands Verbrechen nicht verurteilen. Es ist nachvollziehbar, dass die Engagierten in Politik, Wirtschaft und Ökoszene versuchen, aus dem Ukrainekrieg bei aller Verzweiflung auch etwas Hilfreiches abzuleiten. Dass sie nun alle Kräfte bündeln, ihre Ziele schneller und besser durchsetzen wollen.

Dazu ist es allerhöchste Zeit, wie gerade wieder die Agentur für erneuerbare Energien (Irena) und der Weltklimarat IPCC warnen. Aber nichts lenkt mehr von den dringenden Überlebensfragen der Menschheit ab als die Überlebensfragen in den Kellern der Ukraine. Nichts verunsichert Investoren und Planer mehr als der Zusammenbruch der internationalen Rechtsordnung. Nichts bindet Geld und Aufmerksamkeit mehr als ein Krieg mitten in Europa.

Und nichts ist in dieser Situation abschreckender als die Vorstellung, mal eben die Energieversorgung der Welt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Nötig ist das, trotz und gerade wegen des Kriegs. Aber statt Versorgungssicherheit erwartet uns in den nächsten Jahren immer wieder Versorgungsunsicherheit. Besser, wir bereiten uns darauf schon mal vor – in der Politik, aber auch im eigenen Denken.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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