Lieferungen von Gronau in die Ukraine: Urangeschäft bleibt Urangeschäft

Den „guten Kunden“ Ukraine will der Betreiber von Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage weiter mit Brennstoff versorgen.

Ein Güterzug hinter einem Tor.

Uran-Transportzug auf dem Firmengelände von Urenco in Gronau (Archivbild) Foto: Friedemann Vogel/epa

BOCHUM taz | Trotz des Beschusses von Atomkraftwerken durch die russische Armee will sich Deutschlands einziger Urananreicherer Urenco die Lieferung von Atombrennstoff in die Ukraine weiter offenhalten. Zwar sei das Unternehmen angesichts des Kriegs in Osteuropa „tief besorgt“. Andererseits sei die Ukraine ein „guter Kunde“, dem man „Hilfe“ anbiete, sagte Firmensprecher Chris Breuer auf Anfrage der taz.

Geschäftsverbindungen nach Russland, wohin Urenco Zehntausende Tonnen als „Wertstoff“ deklarierten Atommüll exportiert hat, habe die Geschäftsführung angesichts der russischen Aggression dagegen gekappt.

Das deutsch-niederländisch-britische Joint Venture Urenco betreibt im münsterländischen Gronau Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage – und hat die Ukraine über die Brennelementefabrik des US-Konzerns Westinghouse im schwedischen Västeras offenbar seit Jahren mit Atombrennstoff beliefert. Das ukrainische Staatsunternehmen Energoatom, das bis zur russischen Invasion sämtliche AKWs des Landes betrieben hat, nannte die Zusammenarbeit mit Urenco deshalb im Juni 2021 „extrem wichtig“. Die letzte Ausfuhrgenehmigung für 100 Tonnen angereichertes Uran Richtung Västeras wurde laut Exportliste des Bundesumweltministeriums am 1. Februar 2022 erteilt.

In welchen der 15 ukrainischen Reaktorblöcke das radioaktive Material aus Gronau genau im Einsatz ist, will Urenco-Sprecher Breuer nicht sagen. Unklar bleibt daher, ob das Uran auch die Kernspaltung in Europas größtem AKW im südukrainischen Saporischschja am Laufen hält. Saporischschja war in der Nacht vom 3. auf den 4. März völkerrechtswidrig von russischen Truppen angegriffen worden.

Überwachung unmöglich

Artilleriegeschosse sollen auch auf dem Gelände eines Lagers für ausgediente Brennelemente gefunden worden sein. Zwar wurde bisher kein Austritt von Radioaktivität gemeldet – doch an diesem Mittwoch erklärte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, nach Tschernobyl sei auch die Verbindung zu Überwachungsgeräten in Saporischschja verloren gegangen.

Von einem „Albtraumszenario“ spricht Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, das immer wieder ein Ende der Urananreicherung in Gronau gefordert hat. Offenbar sei „extrem leichtfertig“ Atombrennstoff in die Ukraine geliefert und die Gefahr eines militärischen Angriffs ignoriert worden: „Im Süden und Osten der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg, und Saporischschja liegt nur 200 Kilometer von der umkämpften Kontaktlinie im ostukrainischen Donbass entfernt“, sagt Eickhoff.

Angelika Claußen, IPPNW

„Massive geo- und sicherheits-politische Gefahren“

„Tickende Bombe“

Die Bundesregierung müsse alle Uran- und Brennelementlieferungen deshalb „sofort unterbinden“, fordert auch die Europavorsitzende der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Angelika Claußen. Die Atombrennstofflieferungen sorgten für „massive geopolitische und sicherheitspolitische Gefahren“ – schließlich dürfte angereichertes Uran aus Gronau über den südkoreanischen Brennelementehersteller Kepco auch in andere Krisenregionen etwa am Persischen Golf geliefert werden.

Der Krieg in der Ukraine zeige, dass „jeglicher Urantransport von Gronau in ein anderes Land über Nacht zur tickenden Bombe werden“ könne, sagt Udo Buchholz, Sprecher des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).„Die Bundesregierung muss jetzt handeln“, fordert Buchholz. Denn mit dem Abbruch des Russland-Geschäfts ist auch die Entsorgung des anfallenden Atommülls ungeklärt. Offiziell als „Wertstoff“ deklariert hat Urenco bisher rund 45.000 Tonnen abgereichertes und hochgiftiges Uranhexaflouorid (UF6) in Richtung Ural geliefert.

Nach Aussagen des Trägers des Alternativen Nobelpreises, Wladimir Sliwjak, rosten die Atommüllfässer dort unter freiem Himmel vor sich hin. Urenco hat jetzt angekündigt, das UF6 in chemisch stabileres Uranoxid umwandeln und in Gronau lagern zu wollen.

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