Russisches staatsnahes Fernsehen: Fragwürdige Zensur

Mit dem Verbot der russischen Sender RT und Sputnik hat die EU vielleicht Kompetenzen überschritten. Die Klage von RT France könnte Erfolg haben.

Putin auf dem Großbildschirm eines Fernsehstudios

Darf er in der EU oder darf er nicht? Putin und sein medialer Arm RT Foto: Alexander Shcherbak/Itar-Tass/imago

Anfang März hat die EU die Verbreitung der russischen Sender RT und Sputnik verboten. Dabei hat sie vermutlich ihre Kompetenzen überschritten. Am 1. März beschloss der EU-Ministerrat in der Verordnung 2022/350 ein Sende- und Verbreitungsverbot für das Nachrichtenportal Sputnik sowie die Programme von RT (bis 2009 Russia Today) in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Entsprechende Rundfunklizenzen seien ausgesetzt. Das Verbot soll gelten, bis die russische Aggression gegen die Ukraine beendet wird und Russland seine „Propagandaaktionen“ gegen die EU-Staaten einstellt.

In der Begründung der EU-Verordnung heißt es: „Diese Medien spielen eine maßgebliche Rolle, um die Aggressionen gegen die Ukraine mit Nachdruck voranzutreiben und zu unterstützen und die Nachbarländer der Ukraine zu destabilisieren.“ Deshalb sei es erforderlich, „restriktive Maßnahmen zur umgehenden Einstellung der Sendetätigkeiten solcher Medien“ zu verhängen. Die Sender haben daraufhin ihr audiovisuelles Liveprogramm eingestellt. RT France hat gegen die EU-Verordnung bereits beim Europäischen Gericht (EuG) in Luxemburg geklagt und einen Eilantrag gestellt. Wann darüber entschieden wird, ist unklar.

Die Klage ist aber nicht aussichtslos. Denn die von der EU gewählte Rechtsgrundlage für Sank­tio­nen (Artikel 215 AEUV) passt hier eigentlich nicht. „Hier geht es ja nicht darum, Druck auf den russischen Staat oder nahestehende Unternehmen und Personen auszuüben“, sagt Christian Tietje, Professor für internationales Wirtschaftsrecht, „vielmehr geht es in dieser Verordnung um den Schutz der EU-Staaten gegen destabilisierende Propaganda.“ Für die Regulierung von Medieninhalten seien jedoch die Mitgliedstaaten der EU zuständig, so Tietje, ein ausgewiesener Experte für das Recht der Wirtschaftssanktionen.

Ungeklärte Zuständigkeiten

Für Deutschland ist dieser Streit nur teilweise relevant, weil RT DE seit Anfang Februar ohnehin nicht mehr senden darf. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hat die Ausstrahlung von Livefernsehen untersagt, weil RT DE keine Zulassung hierfür hat und als staatsfinanzierter Sender auch keine Lizenz bekommen kann. Das Verwaltungsgericht Berlin hat das MABB-Sendeverbot bestätigt. Von dem MABB-Verbot war die Website von RT DE bisher aber nicht betrofffen. Denn für das Verbreiten schriftlicher Inhalte ist keine Zulassung erforderlich. Dennoch ist die Website www.de.rt.com seit Anfang März nicht mehr aufrufbar. Dies ist eindeutig eine Folge der EU-Sanktionen. Internetprovider wie die Deutsche Telekom haben die Website gesperrt und berufen sich auf „Vorgaben“ der Bundesnetzagentur.

Tatsächlich hat die Bundesnetzagentur in zwei Schreiben vom 4. und 15. März den Providern mitgeteilt, dass die Sperrung von acht Websites, darunter www.de.rt.com, nicht gegen die Netzneutralität verstoße, weil die EU-Verordnung 2022/350 eine Sperrung „rechtfertigt“. Die Bundesnetzagentur habe jedoch keine Sperrung der Websites „angeordnet“, betont Sprecher Fiete Wulff, da die EU-Verordnung direkt anwendbar sei. Allerdings ist in der EU-Verordnung von Web­sites gar nicht die Rede, sondern von „Sendungen“ und „Rundfunklizenzen“.

RT DE produziert weiter Inhalte, die nun unter neuen URLs verbreitet werden

Dass auch Websites gesperrt werden sollen, „die zu den Sendern gehören“, beruht auf einer Interpretation des gemeinsamen Gremiums euro­päi­scher Regulierungsstellen für elek­tro­ni­sche Kommunikation (­BEREC). Bisher ist RT DE nicht gerichtlich gegen die Sperrung ihrer Web­sites vorgegangen und reagierte auch nicht auf Anfragen der taz. Allerdings produziert RT DE weiter Inhalte, die unter neuen URLs verbreitet werden. Die Telekom sperrt die neuen Web­sites nicht, weil sie nicht in den Schrei­ben der Bundesnetzagentur erwähnt sind.

Die Bundesnetzagentur betont, dass sie nicht für die Kontrolle von Sanktionen zuständig sei. Das Wirtschaftsministerium erklärte, dass es an einer Änderung der Außenwirtschaftsverordnung arbeite, damit künftig beim Verstoß gegen Sendeverbote Bußgelder verhängt werden können. Welche Behörde dann die Bußgelder verhängt? Dazu schwieg das Ministerium. Die völlig ungeklärten Zuständigkeiten könnten ein Indiz dafür sein, dass hier vieles nicht rechtskonform abläuft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.