Warum Schleifer Magath in Berlin ist: Hart, härter, Hertha

Hertha BSC vertraut in der Not auf einen ausrangierten Trainertyp. Und nun sitzt Felix Magath wegen Corona auch noch in Quarantäne.

Felix Magat läuft auf der Hochebene eines Hügels

Auf dem Hertha-Feldherrenhügel: Felix Magath nach seiner Inthronisierung beim Bundesligisten Foto: Matthias Koch/imago

Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie hat Hertha BSC vergangenen Montag mit der Verpflichtung von Felix Magath geradezu magisch verschwimmen lassen. Die Idee von Geschäftsführer Fredi Bobic, den Mann wieder ins Geschäft zu bringen, der als Prototyp des Schleifers vor einem Jahrzehnt nach seiner Kündigung beim VfL Wolfsburg als Auslaufmodell in der Liga verabschiedet wurde, hat ein kollektives Kneifen insbesondere bei den Hertha-Fans ausgelöst. Vermutlich hätten sich viele noch am Samstag im Olympiastadion gefragt, ob das wirklich Felix Magath sein kann, der da auf der Trainerbank ihren geliebten Klub gegen Hoffenheim dirigiert.

Nun wird der 68-Jährige zu Beginn seiner vielfach mit Spannung erwarteten Rettungsmission aber gar nicht präsent sein können. Wegen eines coronapositiven Tests, so informierte der Verein am Donnerstag, wird er sein neues Team vom Hotel aus, genauer vom Laptop aus, coachen müssen. Es ist kaum zu glauben, wie fantasievoll auch das Schicksal sein kann. Der Schleifer Magath startet als Laptoptrainer bei Hertha. Lap­toptrainer wurden bislang diejenigen Kollegen genannt, für die Magath nur Spott übrig hatte, weil sie statt über Disziplin und Fitness lieber über strategische Überlegungen dozierten.

Seit geraumer Zeit werden bei Hertha BSC Entscheidungen getroffen, als wäre der Verein Teilnehmer in einem abgefahrenen Phantasyspiel. Zehnjähriges Jubiläum etwa feierte jüngst die originelle Eingebung, den damals 73-jährigen Otto Rehhagel mit dem Auftrag Klassenerhalt zu verpflichten, obwohl er bereits 12 Jahre keine Klubmannschaft mehr trainiert hatte. Der darauffolgende Abstieg erscheint da fast nebensächlich in der Erinnerung. Unnachahmlich eigenwillig war auch der Spielzug, Jürgen Klinsmann aus den USA einfliegen zu lassen. Seine fehlende Erfahrung machte er mit großen Visionen wett. Er hinterließ vor zwei Jahren nach zehnwöchiger Dienstzeit und fast 80 Millionen Euro Transferausgaben ein für den Klub kompromittierendes Tagebuch und auf Facebook seine Kündigung („HaHoHe, Euer Jürgen“).

Fredi Bobic, der zu seinem Amtsantritt vergangenen Sommer Vernunft und Kontinuität anmahnte („Fünf Trainer in zwei Jahren sind einfach zu viel“), greift nun mit seinem dritten Coach in dieser Saison auf einen Trainertyp zurück, der in den letzten Jahren nur als Nostalgieinterviewpartner angefragt wurde. Wenn der Fußball irgendwie zu kompliziert werden schien, bezeugten Felix Magath alias „Quälix“, Eduard Geyer („Ede Gnadenlos“) oder Werner Lorant („Werner Beinhart“) auf Bestellung, dass alles eigentlich ganz einfach ist. „1860 braucht einen harten Trainer, der auch hart zu sich selbst ist“, erklärte Lorant etwa unlängst seinem alten Münchner Verein.

Oberfeldwebel im Trainingsanzug

Für den Profifußball, der zunehmend sensibleren Umgang mit Themen wie etwa der psychischen Gesundheit pflegt, schienen diese Oberfeldwebel im Trainingsanzug nicht wirklich mehr vermittelbar. Schalkes Jefferson Farfan nannte bereits vor zehn Jahren Magaths Methoden „menschlich fragwürdig“.

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Diese Woche machten wieder einmal die grenzüberschreitenden Magath-Anekdoten aus der Vergangenheit die Runde. Die Geschichte etwa, wie er das Team des VfB Stuttgart nach einer Niederlage nachts nach der Busfahrt auf den Platz in ihrer taktischen Formation Aufstellung nehmen ließ und ihnen nach 90 Minuten beschied, so bewegungslos hätten sie heute gespielt, konnte man in der Süddeutschen Zeitung nachlesen.

Der Schreckensruf von Magath ist bei Hertha BSC nicht unwillkommen. Bei dessen Vorstellung ließ Fredi Bobic erkennen, dass sein Verhältnis zu den Hertha-Profis ein sehr distanziertes geworden ist. Die Spieler habe er über Magaths Verpflichtung nicht unterrichtet. Es sei nicht seine Aufgabe, jeden einzeln abzuholen. Er habe ihnen gesagt: „Schaut immer auf eure Handys, weil da guckt ihr ja oft drauf.“ Bereits vor der Niederlage in Gladbach hatte Bobic die Frage nach der Verantwortung für die derzeitige Hertha-Misere geklärt: „Die Spieler haben im Dialog klar erkannt, dass sie das Problem sind.“

Diese Analyse beim Tabellenvorletzten, der sich trotz der Finanzspritze von 375 Millionen Euro in den letzten drei Jahren durch Investor Lars Windhorst sogar noch in eine schlechtere Position gebracht hat, scheint etwas unterkomplex. Der Handlungsdruck in Krisenzeiten fördert oft eher grobschlächtige Erkenntnisse zutage.

Magath hat die Woche getan, was von ihm erwartet werden kann. Er verbreitete etwas Angst und bemerkte zu Peter Pekarik, der bereits beim VfL Wolfsburg unter ihm gespielt hatte: „Ich denke, dass sich der ein oder andere Spieler bei ihm erkundigt hat, wie schön das in den nächsten Tagen wird.“ Er verzehnfachte die Geldstrafen fürs Zuspätkommen und holte seinen vertrauten Konditionstrainer, den ehemaligen Bundeswehroberstleutnant Werner Leuthard, nach Berlin.

Bobic glaubt offenbar, dass nur ein autoritäres Regime seinen Spielern noch Beine machen kann. Vielleicht ist sein Ansatz aber auch humaner als es scheint. Denn Magath zieht alle öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und sorgt dadurch für ein von Bobic möglicherweise gewünschtes Stück Entlastung bei den Spielern. Das ist jedoch am Samstag tragischerweise nur graue Theorie. Gegen Hoffenheim wird Felix Magath nicht zu sehen sein. An der Seitenlinie steht sein schottischer Assistent Mark Fotheringham. Alle Blicke werden sich auf die Profis von Hertha BSC konzentrieren.

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