Im Grenzgebiet von Moselle und Saarland: Irrfahrt mit einem Rechten

Unsere Autorin verfuhr sich mit einem Mitglied des Rassemblement National – und lernte dabei über Grenzen, Saarland und dm.

Menschen auf einer Einkaufstrasse mit Einkaufstaschen

Le pouvoir d'achat in Saarbrücken Foto: Becker Bredel/picture alliance

Irgendwann war klar, dass wir uns verfahren hatten. Besser gesagt, er hatte sich verfahren, ich war nur auf dem Beifahrersitz gesessen, die Hände zu Fäusten geballt ob der rasant unkonzentrierten Fahrweise des Lenkers dieses Wagens. Mit dem mich nichts verband, außer journalistischer Neugier meinerseits. Der Mann dort im Grenzgebiet von Moselle und Saarland hieß und heißt Lucien Terragnolo und ist seines Zeichens Mitglied des Rassemblement National (RN) genannten rechtsextremen Clubs von Marine Le Pen. Sein Ortsverein: die ehemalige Bergarbeiterstadt Forbach, von 1871 bis 1918 und während des Zweiten Weltkriegs zum Deutschen Reich, Abteilung Lothringen, gehörig.

Heute leben Menschen aus über 20 Nationen hier, viele stammen aus dem Maghreb. Und seit ewig schon kämpfen die Forbacher Geschäfte ums Überleben – viel zu günstig ist seit Langem das Rübermachen zum Billigeinkauf ins wenige Kilometer entfernte Saarbrücken. Nur die Autowäsche bleibt vergleichsweise ein Schnäppchen auf französischem Territorium.

Wir schrieben also das Jahr 2017, die taz tourte auf einer Recherchereise mit zwei Redaktionsteams durch Frankreich; es war Präsidentschaftswahlkampf wie jetzt auch im Hexagon. Mittlerweile ist Terragnolo Chef des RN in Forbach und bei den letzten Kommunalwahlen 2020 schaffte er es mit 183 von 4.357 abgegebenen Stimmen glasklar nicht ins Rathaus.

Just nur ein Drittel der For­ba­che­r:in­nen war zur Wahl gegangen. Auf Plakaten hatte der gelernte Wirtschaftsprüfer mit Fotos von sich, einem Spezi und einem italienischen Model geworben, das mit Forbach nix am Hut hat – ihr Gesicht kam nämlich aus einer Fotodatenbank. So viel zum politischen Tschingderassa im dortigen deutsch-französischen Grenzgebiet. Besessen sind die Französinnen und Franzosen landesweit allerdings von ihrem pouvoir d’achat, ihrer Kaufkraft. Auch jetzt rangiert das Thema in Wahlumfragen weit vor dem Ukrainekrieg oder gar der Klimakrise.

„Alles so sauber“

„Deutschland ist schön“, lobte Monsieur Terragnolo damals auf der gemeinschaftlichen Irrfahrt in seinem metallicglänzenden Mercedes-Coupé. „Und das Saarland ist ganz besonders schön, alles so sauber – die Häuser, die Menschen.“ Seine Kuhaugen leuchteten, der kurvige Straßenverlauf in den Randbezirken Forbachs näherte sich dem Grenzflüsschen Rossel. Auf einem Parkplatz der Grande Nation gleich neben einer Brücke ins saarländische Großrosseln kam Terragnolo per Stotterbremse zum Stehen. „Gucken Sie“, er deutete auf einen Zweckbau an der anderen Flussseite, „dort drüben in Großrosseln ist der dm-drogeriemarkt. Ganz toller Laden. Kriegt man noch was für sein Geld. Ich komme fast täglich.“

Bis Ende März 1995 lag an der Rossel eine deutsch-französische Grenze. „Es gab ständig Staus, alles war voll Autos.“ Wieder leuchteten Terragnolos Augen, ja, selbst das goldfarbene Brillengestell schien nun euphorisch zu vibrieren. „Damals waren wir in Sicherheit, es kamen nur die Richtigen rüber.“ Und wie ist es heute? „Ich bin für Grenzen, wir alle brauchen Grenzen.“ Lucien Terragnolo atmete schwer. „Auch wenn es dann länger dauert zum dm.“

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