Streit um Atommülllager in Kroatien: Angst im Tal des Una-Flusses

Pläne für ein Atommülllager besorgen die Nachbarn in Bosnien und Herzegowina. Nun will sich die Regierung bei der EU-Kommission beschweren.

Notfallübung am Atomkraftwerk Krsko

Die Nachbarn wollen den Nuklearmüll nicht in ihrer Nähe: Notfallübung am Atomkraftwerk Krsko 2016 Foto: imago

SARAJEWO taz | Nationalismus und drohende Aufspaltung des Landes: Als hätten die Menschen in Bosnien und Herzegowina nicht schon Sorgen genug. Jetzt kommt noch ein weiterer regionaler Konflikt hinzu: Kroatien plant eine Endlagerstätte für Atommüll auf dem Gebiet Trgovska Gora, das nahe der Grenze zu Bosnien und Herzegowina liegt.

Für den Ort der Anlage auf dem Gelände des ehemaligen Militärlagers Čerkezovac gebe es „keinen Plan B“, sagt Tomislav Ćorić, kroatischer Minister für Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Kroatien wolle „eine Anlage an einem sicheren Ort und nach den höchsten Standards bauen, nicht nur für die Lagerung von Abfällen aus dem Kernkraftwerk Krško“, sondern auch für anderen schwach und mittelstark strahlenden Atommüll aus dem Land.

Das in den 70er Jahren mit US-amerikanischer Technologie gebaute kroatisch-slowenische Atomkraftwerk Krsko steht 40 Kilometer nördlich von Zagreb an der Grenze der beiden Staaten – und liefert noch Strom. Es ist das einzige Atomkraftwerk des ehemaligen Jugoslawien, liegt aber in einem Erdbebengebiet.

Bereits 1997 gab es erste Pläne für ein Endlager, doch erst 2018 wurden sie konkretisiert. Gebaut wird aber noch nicht. Denn es hagelt Proteste: Bürger von 13 Gemeinden auf der bosnischen Seite – mit insgesamt rund 350.000 BewohnerInnen – fürchten die Gefahren, die von einer Endlagerstätte ausgehen könnten. Die Kritik ist einhellig: Die Kroaten machten es sich zu leicht, den Atommüll am Rand ihres Territoriums zu lagern, potentielle Schäden hätten vor allem die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina auszubaden.

Gefahren durch Erdbeben

Die bisherigen Informationen über geologische Beschaffenheit dieses Ortes erscheinen wenig verheißungsvoll. ExpertInnen fürchten, es könnte Sickerwasser aus dem Lager in den 800 Meter entfernten Una-Fluss gelangen. Die grünlich schimmernde und als Naturwunder gepriesene Una und ihre Flusslandschaft gehören bislang zu den saubersten Gewässern des westlichen Balkan.

Neben der Sorge, das Gestein der Region sei für eine Endlagerstätte nicht geeignet, verweisen die KritikerInnen auf die Gefahren von Erdbeben. Erst im vergangenen Jahr gab es ein schweres Beben, das Teile der kaum 60 Kilometer entfernten Städte Karlovac und Petrinja verwüstete. Deshalb forderte eine Expertenkommission der bosnischen Seite, bei den geologischen Untersuchungen des Geländes beteiligt zu werden, um Klarheit über die Beschaffenheit des Gesteins zu erhalten.

Das Thema beschäftigte auch die Münchener Sicherheitskonferenz: Die bosnische Außenministerin Bisera Turkovic erklärte, man wolle nun Daten über die Region systematisch sammeln, internationale Konventionen seien gebrochen worden.

Ministerpräsident hat sich eingeschaltet

Zwar fühlen sich die Bosnier auch übergangen, weil sie nicht an den Erkundungen für den Standort beteiligt wurden. Allerdings gab es ein Gremium, in dem Experten und Aktivisten aus Bosnien und Herzegowina und Kroatien beteiligt waren, betont Zvjezdan Karadzin, Umweltexperte der Fakultät für Bergbau, Geologie an der Universität in Tuzla.

Auch Ministerpräsident Zoran Tegeltija hat sich in den Konflikt eingeschaltet. Die Regierung werde sich offiziell bei der kroatischen Regierung und der EU-Kommission über das geplante Endlager an der Grenze zu beschweren, sagte er am Freitag. Tegeltija forderte die kroatische Seite auf, endlich ernsthaft zu verhandeln. Es gebe zu viel „Angst im Tal des Una-Flusses“. Ein anderer Standort für das Endlager sei „die beste Lösung, weil es bereits viele Spannungen gibt“, sagte Tegeltija.

Die Bosnier sind Übergriffe der Nachbarländer auf die Natur des Landes allerdings gewohnt. So plant Serbien ein Wasserkraftwerk an dem auf bosnischen Territorium liegenden Drina-Fluss, das Strom allein für Serbien und die serbische Teilrepublik in Bosnien liefern soll. In der serbischen Teilrepublik wird zudem laut KritikerInnen der gemeinsame Staatsbesitz an Wäldern verhökert und rücksichtslos ausgebeutet.

In von bosnischen Kroaten kontrollierten Gemeinden in der Herzegowina wird Wasser illegal nach Kroatien geliefert, bemängeln ExpertInnen. All dies führt zurück auf das Problem der schwachen bosnischen Verfassung und die Unfähigkeit des Gesamtstaates, derartige Praktiken zu verhindern. „Alle Nachbarn können in Bosnien machen, was sie wollen, ohne Strafe zu erwarten“ schreiben bosnischen Medien in Sarajevo – und es klingt resigniert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.