Beobachtung der AfD: Radikalisierung dank Geheimdienst

Der Verfassungsschutz darf die AfD als Verdachtsfall einstufen. Das wird die Gemäßigten aus der Partei treiben.

Björn Höcke gestikuliert mit seinen Händen während einer Pressekonferenz

Der Thüringer Landesverband ist bereits seit März 2021 als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft Foto: Martin Schutt/dpa

Das rechtsextreme Personenpotenzial im nächsten Verfassungsschutzbericht wird sich nahezu verdoppeln. Weil das Bundesamt die AfD nun als sogenannten rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf, wird jedes der knapp 30.000 Parteimitglieder gezählt – und nicht nur jene, die zum offiziell aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke gehören sollen.

Lehnt man solche Einstufungen durch den Verfassungsschutz nicht grundsätzlich ab, lässt sich hier vor allem eines kritisieren: dass die Einstufung viel zu spät erfolgt ist. Seit Langem liegen, auch durch die Arbeit von antifaschistischen Initiativen und engagierten Jour­na­lis­t:in­nen, mannigfache Belege für die menschenverachtende und demo­kratie­feindliche Ideologie und Politik der AfD vor. Frühwarnsystem? Fehlanzeige.

Dennoch bleibt die Frage: Was bringt die Einstufung jenseits dessen, dass der Verfassungsschutz nun nachrichtendienstliche Mittel einsetzen darf? Wird der amtliche Stempel „Verdachtsfall rechtsextrem“ abschreckend wirken? Der Niedergang der rechten Republikaner war durch die Verfassungsschutzeinstufung deutlich beschleunigt worden.

Bei der AfD aber darf man darauf nicht hoffen. In Ostdeutschland, wo die Partei besonders stark und gut verankert ist, wird die Beobachtung nicht viel verändern. Die meisten Landesverbände sind hier bereits eingestuft, der Thüringer Landesverband um Höcke seit März 2021 sogar als „erwiesen rechtsextrem“, steht also auf einer Stufe mit den Neonazis von der NPD. In den Umfragen hat sich das für die AfD nicht negativ ausgewirkt.

Ohnehin hat die Anhängerschaft hier jede Radikalisierung mitgemacht. Die Partei wird hier eben nicht gewählt, obwohl sie demokratiefeindlich und menschenverachtend ist, sondern genau deshalb. Etwas anders könnte die Lage in den westdeutschen Bundesländern sein. Hier überwiegt noch die Sorge davor, in den Ruf zu kommen, rechtsextrem zu sein. Deshalb könnte die AfD hier Nationalkonservative verlieren.

Angst der Be­am­t:in­nen

Unter den Be­am­t:in­nen dürfte ihr Personal flöten gehen, weil dieses Angst um Jobs und Pensionen hat. Und möglicherweise wird nun der eine oder andere Spender aus Angst vor Kampagnen gegen sein Unternehmen zögern. Zu Fall wird das die AfD nicht bringen. Inzwischen ist ihre Stammwählerschaft dafür zu groß. Dieser setzen eher die internen Machtkämpfe und Auseinandersetzungen wie derzeit über das Verhältnis zu Russland zu.

Durch die Beobachtung wird die AfD vor allem jene verlieren, die sich innerhalb der Partei für gemäßigt halten. Das wird die Partei weiter radikalisieren. Geschieht das, sollte der Staat weniger zögerlich als bislang sein: Dann sollte auch ein Verbotsverfahren geprüft werden.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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