: Zu den Waffen
Von unserer Kontext-Redaktion↓
Von einer Nation voller Skrupel, Schutzhelme ins Kriegsgebiet zu liefern, verwandelt sich die Republik binnen weniger Tage in eine, deren Wehretat künftig den dritten Platz der Weltspitze belegen soll. Bejubelt von Bundestagsabgeordneten, die zum Applaudieren aufstehen, und von Springers „Welt“, die angesichts milliardenschwerer Militärausgaben frohlockt: „Europa feiert die Geburt eines neuen Deutschlands.“ Niemand muss Pazifistin sein, um da ein mulmiges Gefühl zu bekommen.
Diejenigen, die bei Ostermärschen auf die Straßen gehen und sich wie der Aktivist Henning Zierock ein Leben lang für den Frieden eingesetzt haben, stehen vor einem Scherbenhaufen. „Wir lagen falsch“, räumt auch Kontext-Autor Winfried Wolf stellvertretend für einen „großen Teil der traditionellen Antikriegsbewegung“ ein. Die „Zeitung gegen Krieg“, für die Wolf aktiv ist, hatte noch in der jüngsten Ausgabe zu erklären versucht, „warum Russland keinen Krieg will“. Inzwischen ist die Verbreitung gestoppt. Recht hätten diejenigen gehabt, schreibt Wolf nun, die „von einem grundsätzlich aggressiven Charakter der Regierung Putin ausgingen“. Im breiten Spektrum der politischen Linken ist angesichts der dramatischen Fehleinschätzungen zu Russland unter Putin viel Aufarbeitung nötig.
Die Weltdeutung ist generell und gerade ganz besonders ein ziemlich tollkühnes Unterfangen. Unsere Kolumnistin Elena Wolf plädiert dafür, nicht immer alles wissen zu müssen und sich in der aktuellen Situation die eigene Überforderung einzugestehen: „Denn wo oben und unten ist, das weiß, wer ehrlich zu sich selbst ist, momentan wirklich niemand mehr so richtig.“
Vielleicht ist es ein journalistischer Irrweg, auch dort um möglichst viel Klarheit bemüht zu sein, wo Dilemmata vorliegen: Wie positioniert sich ein friedliebender Mensch, der nicht will, dass autoritäre Staaten den verbleibenden Demokratien eines Tages militärisch überlegen sind?
Gegenfrage: Wohin soll das nun einsetzende weltweite Auf- und Wettrüsten führen, wenn das bereits vorhandene Atomwaffenarsenal ausreichen würde, den ganzen Planeten in einen nuklearen Winter zu bomben?
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