Wasserverlust in Deutschland: Ist doch nur Mineralwasser

Der Investigativfilmer Daniel Harrich hat NASA-Daten ausgewertet. Er warnt in einem Spielfilm vor Wasserknappheit in Deutschland.

Filmbild

Manager Gebhard (U. Tukur), Bürgermeister Sommer (S. Bezzel) und Umweltreferentin Roland (K. Schuch) Foto: diwafilm/SWR

Das Daniel-Harrich-Double-Feature ist seit Jahren eine feste Größe im Programm der ARD. Es funktioniert stets nach dem gleichen Schema. Auf einen nach allen Regeln des öffentlich-rechtlichen-Primetime-Fernsehens um Aufmerksamkeit buhlenden Spielfilm folgt eine den Audience Flow nutzende, sorgfältig recherchierte Dokumentation mit neuen Fakten zu einem Investigativkomplex: Oktoberfest-Attentat; gepanschte Medikamente; deutsche Waffenexporte (waren vor dem Ukraine-Krieg einmal ein negativ besetztes Thema).

Wie sehr Daniel Harrich für seine Projekte brennt, merkt man im Gespräch zu seinem neuesten Coup „Bis zum letzten Tropfen“. Dort saugen gierige Konzerne den Boden aus, setzen ganze Kommunen aufs Trockene, während den Politikern der Durchblick fehlt, weil sie ihre Zeit darauf verwenden, an ihren wohlfeilen Lippenbekenntnissen zur Klimakrise zu feilen. „Die Politik schläft“, sagt Harrich. Um das zu ändern, hat er sein jüngstes Werk – die Doku, nicht den Spielfilm – am vergangenen Montagabend sogar im Bundestag vorgeführt. Und er hat die Abgeordneten mit hierzulande bisher unbekannten NASA-Satellitendaten konfrontiert.

Wichtigster Zeuge der Anklage ist der Wissenschaftler Jay Famiglietti vom Global Institute for Water Security im kanadischen Saskatchewan: „Der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa zweieinhalb Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr. Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit“, erläutert er seine Daten: „Im Klartext: Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Das ist unvorstellbar viel Wasser. Das müssen wir dort unbedingt bekanntmachen. Man muss dort wirklich verstehen, was passiert.“

Das Bekanntmachen hat nun Daniel Harrich übernommen. Und er hat es sogar verstanden, einen hochrangigen Coca-Cola-Manager vor seine Kamera zu bekommen, der durchblicken lässt, mit Harrichs Schaffen vertraut zu sein: „Wenn jetzt hier Heckler & Koch sitzen würde, dann könnte ich mir natürlich die Frage stellen: Muss ich Waffen verkaufen oder nicht? Aber hier bediene ich ja einfach nur den Wunsch des Konsumenten, Mineralwasser zu trinken. Mehr tun wir nicht.“

Pilcherisierte Kornfelder

Seinen (ersten, es gab eine Fortsetzung) Film zur Waffenschmiede H&K hatte Harrich damals als so brisant eingeschätzt, dass er die Dreharbeiten zu dem Politthriller („Meister des Todes“) als Rom-Com getarnt hat. Schaut man nun (den Spielfilm) „Bis zum letzten Tropfen“, muss man sagen: So nah ist er dem romantischen Genre in seinem Werk tatsächlich nie zuvor gekommen. So viele pilcherisierte Kornfelder bei untergehender Sonne (Kamera: Michael Praun) hat es vermutlich in keiner Rosamunde-Pilcher-Verfilmung je gegeben. Zu „Meister des Todes“ verhält sich „Bis zum letzten Tropfen“, nun ja: wie eine Cola zum Sturmgewehr.

„Bis zum letzten Tropfen“, Film und Doku, drei Teile in der ARD-Mediathek.

Ein verwitwet alleinerziehender, im Grunde also herzensguter Provinzbürgermeister (Sebastian Bezzel) will eigentlich nur das Beste für sein Städtchen: Arbeitsplätze. Seine engagierte junge Tochter (Hannah Schiller) und ein sturer alter Bauer (Michael Roll) durchschauen die ausbeuterischen Machenschaften des amerikanischen Mineralwasser-Konzerns hingegen sofort. Es wird am Ende des beherzten Sprungs des Bürgermeisters auf den brennenden Bauern bedürfen, um den Vater-Tochter-Konflikt zu lösen.

Alles für die gute Sache

Damit aber auch wirklich kein Zuschauer zu lange auf dem (Wasser-)Schlauch steht, lässt Harrich den Konzern-Bagger vorher noch ein süßes kleines Lämmchen überrollen. Den Coca-Cola-Manager modernen Typs (in Turnschuhen) aus seiner Doku hat er im Spielfilm durch einen hinter jovialer Fassade aalglatten Klischeemanager aus der Mottenkiste der alten Bundesrepublik ersetzt. Ulrich Tukur spielt diesen Dr. Gebhard natürlich auf einer Arschbacke runter: „Doktor ist zu formell. Ma san doch nicht in Österreich!“

Man kann die Schauspieler und Daniel Harrich nur bewundern. Für die gute Sache – das Bekanntmachen des unvorstellbaren Wasserverlustes in Deutschland, siehe oben – sind sie sich für nichts zu schade.

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