Konflikt in russisch-orthodoxer Kirche: Der Zorn des Kyrill

In Amsterdam lehnt sich eine orthodoxe Gemeinde gegen das Moskauer Patriarchat auf. Sie will Russlands Angriff auf die Ukraine nicht unterstützen.

Patriarchen Kyrill trägt eine gold-weiße Kopfbedeckung und lange Kerzen

An der Seite Putins: Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

AMSTERDAM taz | Der Krieg in der Ukraine hat die russisch-orthodoxe Kirche in den Niederlanden erreicht. Schauplatz des Konflikts ist die Gemeinde in der Hauptstadt Amsterdam. Deren Heiliger-Nikolaus-von-Myra-Kirche, unauffällig an einer stillen Gracht am Rand des Zentrums gelegen, ist nun landesweit in den Medien.

Der Grund: Die Priester und Diakone der Gemeinde haben ihren Austritt aus dem Moskauer Patriarchat erklärt, zu dem sie bislang zählte. In einem Bericht des Gemeinderats heißt es, sie könnten in dieser Konstellation „nicht länger funktionieren und unseren Gläubigen ein spirituell sicheres Klima bieten“.

Begonnen hat der Konflikt Anfang März, als sich die Amsterdamer Geistlichen an den Moskauer Patriarchen Kyrill wandten mit der Bitte, er möge sich gegen die russische Invasion in die Ukraine aussprechen. Kurz danach bekam die Gemeinde einen unangekündigten Besuch von Erzbischof Elisey aus Den Haag, der mit seinem Diplomatenauto vorfuhr und die Priester in der Hauptstadt aufforderte, sich zu entschuldigen. Elisey teilte außerdem mit, sowohl das Patriarchat als auch das russische Außenministerium widmeten der Gemeinde nun besondere Aufmerksamkeit.

Die protestantische Tageszeitung Nederlands Dagblad zitiert ein anonymes Gemeindemitglied, das den Besuch des Erzbischofs einen „geistlichen Panzer, der zu unserer Gemeinde geschickt wurde“ nannte. Nach Berichten des Reformatorisch Dagblad sagte Elisey später gegenüber dem Rektor der Nikolaus-Kirche, er hoffe, dieser kein Ultimatum stellen zu müssen.

Die Geistlichen fühlten sich dadurch unter Druck gesetzt und ersuchten das Ökumenische Patriarchat Konstantinopel um Aufnahme. Dessen Vertreter in den Benelux-Ländern nahm den Antrag in Behandlung.

Kyrill an der Seite Putins

Bis zu einer Gemeinderatsversammlung am 26. März finden in der Kirche keine Gottesdienste statt. Laut Erklärung der Gemeinde sind Sicherheitsgründe für diesen Beschluss verantwortlich, aber auch „pastorale Erwägungen“, wonach es in dieser „extrem angespannten Situation“ so gut wie unmöglich sei, die erwünschte At­mosphäre für Gebete zu gewährleisten. „Diese Entscheidung ist außergewöhnlich schmerzhaft für alle Beteiligten.“

Die Amsterdamer Gemeinde, 1974 von einer kleinen Gruppe orthodoxer Chris­t*in­nen aus Russland, Serbien und den Niederlanden gegründet, hat sich in den letzten Wochen vom Kurs des Moskauer Patriarchats distanziert. Nachdem Kyrill sich in einer Predigt an die Seite Putins stellte und den Ukraine-Krieg als geistlichen Kampf um traditionelle Werte interpretierte, strich sie das obligatorische Andenken an ihr Oberhaupt aus der Liturgie.

Auf der Website beschreibt sich die Gemeinde als „lebendige, multikulturelle, christliche Kirchengemeinschaft“ mit Mitgliedern aus über 20 Ländern. Ihre Wurzeln lägen in der russischen Spiritualität, zugleich sei man offen für die niederländische Sprache und Kultur. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine initiierte die Gemeinde eine Spendenaktion für ukrainische Flüchtlinge.

In die Schlagzeilen gekommen war die Heiliger-Nikolaus-von-Myra-Kirche bereits letzte Woche: Eines Morgens fanden sich mehrere in weißer Farbe angebrachte Z-Symbole auf den Toren, die in russisch-nationalistischen Kreisen für die Unterstützung des Kriegs stehen. Ein Gottesdienst am Abend wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. In einer Stellungnahme der Gemeinde hieß es: „Unsere Gläubigen haben die Kriege in Jugoslawien, Eritrea, Südos­setien, dem Donbass und anderen Regionen erlebt, und immer haben wir innerhalb der Kirche den Frieden bewahrt.“

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