Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Nicht alle sind gepikst

Trotz der vielen Kritik und Sorge vor dem Pflegenotstand, greift nun die Impfpflicht fürs Gesundheitswesen. Doch noch gibt es keine Tätigkeitsverbote.

Drei Pflegende in Schutzkleidung fahren einen Patienten im Bett durch ein Krankenhaus in Leipzig.

Sicher ist sicher: Die Impfpflicht soll vulnerable Gruppen sollen vor Infektionen schützen Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Noch sei bei ihr alles unverändert, sagt Linda A. Sie will sich weiterhin nicht gegen Corona impfen lassen und hat sich bisher nicht infiziert. Trotzdem stehe sie nach wie vor im Dienstplan der Intensivstation. Dabei rechnete sie Anfang des Jahres noch damit, an diesem Mittwoch den Job zu verlieren. Denn eigentlich greift nun die einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Wer in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen arbeitet, muss gegen Corona geimpft oder davon genesen sein. Ansonsten muss die eigene Leitung ihre ungeimpften Angestellten in den kommenden 14 Tagen dem zuständigen Gesundheitsamt melden.

Das darf dann Bußgelder, Tätigkeits- und Betretungsverbote gegen die Ungeimpften verhängen – allerdings nicht sofort und wenn, dann mit Ermessensspielraum. Der soll die Pflegeversorgung sichern. Solange dürfen Ungeimpfte weiterhin in der Pflege arbeiten.

Ziel der Gesetzgebung ist, vulnerable Personen vor Ansteckung zu schützen. Wie auch beim neuen Infektionsschutzgesetz, über das der Bundestag am Mittwoch diskutierte und am Freitag abstimmen wird, stehen der Schutz von besonders anfälligen Gruppen im Mittelpunkt der Argumentation. Obwohl die Omikron-Variante in den meisten Fällen milder verläuft, ist sie für vulnerablen Gruppen weiter lebensbedrohlich.

Meldeportale noch nicht online

Ebenfalls wie beim aktuellen Infektionsschutzgesetz, über das es selbst innerhalb der Regierung Streit gibt, gab es bei der Pflege-Impfpflicht Kritik an Unklarheiten bei der Umsetzung. Gesundheitsämter – durch die Pandemie bereits ausgelastet – wussten nicht, wie sie weitere Meldungen bearbeiten sollten.

Um sie zu entlasten, wurden Onlinemeldeportale als gemeinsame Lösung gefunden, wobei die Länder auch hier eigene Wege gehen. Bis heute sind allerdings immer noch nicht alle Portale online. In Brandenburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Saarland sollen sie erst in den nächsten Tagen kommen.

Zudem warnt unter anderem der Pflegeverband davor, dass die Impfpflicht den Pflegenotstand verschärfen könnte. Seit Jahren fehlt Personal auf den Stationen. Dabei zeigen sich unter Einrichtungen und Ländern große Unterschiede. Bei der Charité in Berlin sind 94 Prozent geimpft, sagt ein Sprecher.

In Sachsen befürchtet die Regierung hingegen, dass ein Drittel der Beschäftigten nicht geimpft ist. Die Uni-Klinik in Leipzig berichtet hingegen von 93 Prozent Impfquote. Laut einer Sprecherin der Uniklinik Freiburg wurden von 14.500 Beschäftigten rund 2.000 gemeldet. Darunter seien aber auch Personen, die im Urlaub oder krank seien und deshalb bisher keinen Nachweis erbracht haben.

Sven Rösler glaubt ebenfalls, dass sich der Pflegemangel verschärft. Er ist Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma, spezialisiert auf Intensivstationen in Brandenburg und Berlin. Wenn den Kliniken Personal fehle, dann leiht Röslers Firma Arbeitskräfte aus. Auch er meldet seine ungeimpften Mit­ar­bei­te­r*in­nen an die Ämter. Insgesamt seien es sieben von etwa 80. Die bekäme er aber schon jetzt nicht mehr unter: Die Krankenhäuser wollen keine Ungeimpften mehr. Rösler wird ihnen deshalb voraussichtlich kündigen, „aber sie lassen sich doch trotzdem nicht impfen“.

Anders bei einem Altersheimleiter, der bereits im Januar mit der taz sprach und anonym bleiben möchte. In seiner Einrichtung seien nur noch zwei von rund 160 nicht mehr geimpft. Er ist einer davon. Für die anderen sei der Druck zu hoch gewesen. Wie die Intensivpflegerin Linda A. hofft er, dass er trotzdem seinen Job behalten kann. Das Gesetz ist bis zum 1. Januar 2023 befristet.

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