Krieg in der Ukraine: Die Zeit läuft gegen Putin

Bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ist die Deutungshoheit umkämpft. Wer wem die Bedingungen diktiert, wird unklarer.

ussische Polizisten nehmen einen Teilnehmer einer nicht genehmigten Kundgebung gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine in Sankt Petersburg fest

Russische Polizisten nehmen einen Teilnehmer einer Antikriegskundgebung in Sankt Petersburg fest Foto: epa

Wer würde ob des Leids der Ukrai­ne­r*in­nen nicht nach jedem Strohhalm greifen, um Russlands wochenlangen grausamen Krieg gegen seinen Nachbarn zu beenden? Der Kreml gibt sich verhandlungsbereit oder tut zumindest so. Angeblich liegt jetzt eine Neutralität der Ukraine sowie deren Entmilitarisierung mit eigener Armee nach dem Beispiel Österreichs als Option auf dem Tisch.

Doch das ist noch längst nicht alles. Hinzu kommen Forderungen nach einer nachträglichen Anerkennung der 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim als Teil Russlands sowie der Unabhängigkeit der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk. Nicht zu vergessen die „Entnazifizierung“ der Ukraine, der auch wehrlose Zivilist*innen, Kinder inklusive, unterzogen werden.

Dass Kiew das anders sieht und auf verbindlichen Sicherheitsgarantien besteht, liegt in der Natur der Sache bzw. dieses Krieges. Dessen Maxime lautet offenbar: Vernichtung und das um jeden Preis. Jedoch ist die Frage, ob Russland überhaupt noch in der Position ist, Bedingungen zu stellen. Die Spezialoperation der russischen Armee, deren Erfolge ausbleiben und die auch auf russischer Seite viele Opfer gefordert hat, ist aus Sicht Moskaus ein einziges Desaster. Da nützt es auch nichts, dass der Kreml sich nach Kräften bemüht, diesen Umstand zu verschleiern und mit brachialen Methoden gegen seine Kri­ti­ke­r*in­nen vorgeht.

Damit wird es auch immer schwieriger, diese wahnwitzige Aktion noch den eigenen Landsleuten zu verkaufen. Und die, auch wenn sie nicht in Massen auf die Straße gehen, lassen nicht locker. Immer wieder gibt es sie, die Unerschrockenen, die das Risiko, festgenommen und mit hohen Strafen überzogen zu werden, in Kauf nehmen und ihrem Protest Ausdruck verleihen.

Auch die vom Westen verhängten Sanktionen scheinen in Russland Wirkung zu zeigen. Zwar bestreitet die russische Staatsführung das bislang immer noch, doch auch hier gilt: Leugnen ist zwecklos. Anfang April werden tausenden jungen Männern in Russland die jährlichen Einberufungsbescheide ins Haus flattern. Schon in der Vergangenheit entzogen sich viele dem leidigen Dienst an der Waffe, indem sie sich frei kauften oder nach ersten Erfahrung in der Armee Amok liefen – oft mit tödlichem Ausgang. Ihre Anzahl dürfte wachsen angesichts der unschönen Aussicht, sich in der Ukraine verheizen zu lassen – in einem Krieg, den sie nicht wollen.

Wie sagte Russlands Präsident Wladimir Putin gerade wieder so schön: Alles läuft nach Plan. Fragt sich nur nach welchem. Und es könnte sein, dass vielleicht bald ganz andere, wie zum Beispiel die Ukraine, das Drehbuch schreiben.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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