EU-Gipfel zur Ukraine-Lage: Macrons Doppelrolle

Der französische Präsident möchte die europäische Verteidigung stärken. Trotzdem will er mit Putin im Gespräch bleiben.

Portträt von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stößt bei Wladimir Putin auf taube Ohren Foto: Bertrand Guay/Pppl afp/ap/dpa

PARIS taz | Nicht erst seit der russischen Invasion in der Ukraine hat sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in der EU für eine selbständigere, gemeinsame Verteidigung eingesetzt. Er kann nun davon ausgehen, dass mit der Wende in der deutschen Rüstungs- und Verteidigungspolitik sowie der aktuellen Lage in der Ukraine sich auch der ein oder andere skeptische Partner von einer verstärkten, militärischen Kooperation überzeugen lässt.

Am 10. März kommen die Staats- und Re­gie­rungs­che­f:in­nen in Versailles zum EU-Gipfel zusammen. Dieser war eigentlich zum Thema Wirtschaftswachstum und Investition geplant. Angesichts des Kriegs in der Ukraine wird er nun ganz der Verteidigung und der Energieunabhängigkeit gewidmet. Zweifellos wird der französische Präsident bei dieser Gelegenheit seine Pläne für einen erneuten Ausbau der Kernkraft antreiben, um damit die Abhängigkeit von importiertem Gas und Erdöl abzubauen.

Frankreich hat in den ersten sechs Monaten des Jahres den Vorsitz der EU inne. In Macrons Agenda ist eine verstärkte Verteidigung Europas Priorität. Was er sich darunter genau vorstellt, hat der französische Präsident in einer Grundsatzrede am 7. Februar ausgeführt: „Europa darf sich nicht in einer Zuschauerrolle abschotten.“ Auch wenn er überzeugt sei, dass die Sicherheit Europas „langfristig auf einer starken Allianz mit den USA“ beruhe, benötige Europa für seine Sicherheit „unweigerlich größere autonome Handlungskapazitäten“.

Europa soll mit mehr „Souveränität“ in der Verteidigung und in der Industrie einen eigenständigen Platz in der neuen Weltordnung einnehmen. Sein Wunsch nach mehr Unabhängigkeit betrifft derzeit hauptsächlich die Energieversorgung und die militärische Rüstung. So müsse das Treffen von Versailles für Europa eine „neue Etappe“ zu dieser Unabhängigkeit werden: „Wir können unsere Verteidigung nicht länger anderen überlassen, weder zu Lande, noch auf den Meeren, unter den Meeren, in der Luft, im Weltraum oder im Cyberspace.“

Taube Ohren bei Putin

Diese Stoßrichtung hindert Macron aber nicht daran, als einer der ganz Wenigen seit Wochen und Tagen mit Putin und Selenski zu reden und zu vermitteln. Dabei spricht er im Namen der EU und versucht sich, so weit wie möglich, unabhängig von der US-Diplomatie zu präsentieren. Die Ergebnisse waren bisher wenig ermutigend. So stieß er bei seinen letzten Telefongesprächen mit Putin auf taube Ohren.

Macron will seine Bemühungen dennoch fortsetzen. So will er für Frankreich und die EU eine Hauptrolle spielen und hält sich für die Vermittlung am ehesten geeignet. Er hatte Putin nach seiner Wahl 2017 mit allen Ehren in Versailles empfangen und dessen Besuch dann in Sankt Petersburg erwidert. Seither duzen sich die beiden am Telefon, obwohl sich das Gesprächsklima merklich abgekühlt hat. Macron soll dazu illusionslos gesagt haben: „Der Dialog mit Putin geht weiter, das ist der einzige positive Punkt.“

Macron, der gerade erst bestätigt hat, dass er sich bei den Wahlen im April um ein zweites Mandat bewirbt, erhält für seine Doppelrolle derzeit eine breite Zustimmung in der Öffentlichkeit. Politiker, die seit Langem eine blockfreie Politik (Staaten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg neutral im Ost-West-Konflikt positionierten) befürworten, geraten dagegen unter Beschuss. Alle Oppositionsparteien kritisieren Macron jedoch dafür, dass er seine Auftritte als Präsident ungeniert für seine Wahlkampagne nutzt.

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