Antifaschistisches Bildungszentrum in Göttingen: Die Nazi-Expert*innen

Das Antifaschistische Bildungszentrum und Archiv dokumentiert, was die extreme Rechte macht. Außerdem gibt es dort Workshops und Vorträge.

Ein Regal mit Archivkartons.

Für alle zugänglich: das Antifaschistische Bildungszentrum und Archiv Göttingen Foto: ABAG

GÖTTINGEN taz | Antifa bleibt Handarbeit. Im Antifaschistischen Bildungszentrum und Archiv in Göttingen (ABAG) heißt das statt demonstrieren: Bücher sammeln, kategorisieren, Listen anlegen. „Deutschland schafft sich ab“, „Mein Kampf“ – das ABAG sammelt Bücher der extremen Rechten in Deutschland. Vieles davon stammt von Privatpersonen, die hinter den Krimis und Wörterbüchern ihrer Großeltern Nazi-Literatur gefunden haben.

Eine Gruppe von Ak­ti­vis­t*in­nen hat das ABAG 2018 gegründet. „Die Idee war, ein Archiv von unten aufzubauen“, sagt Damian Ott, Mitarbeiter im ABAG. Es ist öffentlich zugänglich und nach einer Nachricht an die Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Archivs kann je­de*r die „Nation Europa“ mit ihrer Kolumne „Neues von der Überfremdungsfront“ oder die rechte Schülerzeitung „Komet“ durchforsten. Sie lagern auch wissenschaftliche Literatur über rechtsextreme Bewegungen – im Raum Göttingen und bundesweit.

Das ABAG ist nicht nur ein Archiv, sondern auch ein Bildungszentrum. Die Mit­ar­bei­te­r*in­nen veranstalten Workshops, zum Beispiel zum Erkennen von Nazi-Modemarken, und halten Vorträge über Neonazi-Strukturen in Südniedersachsen und Nordthüringen. Manchmal werden sie auch direkt gebeten, über extreme Rechte zu sprechen. Im Januar hielten sie nach einer Anfrage des Bildungswerks von Ver.di einen Vortrag über die Querdenken-Proteste in der Region.

Das ABAG ist ein unabhängiger Verein. Es finanziert sich durch seine Mitglieder und manchmal durch projektgebundene Fördermittel. Seit 2020 Jahr gibt es außerdem jährlich die Zeitschrift „Hingeschaut!“ heraus, in der es das Material des jeweiligen Jahres analysiert. Das rohe Material, also Sticker, Flyer, Bücher sind in einer Chronik einsehbar. So können Wissenschaftler*innen, Studierende, Journalisten oder Privatpersonen alleine recherchieren. „Wir richten uns an eine interessierte Öffentlichkeit“, sagt Micky Caulfield vom ABAG dazu. Und das ABAG ist auch auf diese Öffentlichkeit angewiesen: Wer zum Beispiel rechtsextreme Aufkleber findet, kann sie ans Archiv schicken.

Workshops zum Erkennen von Nazi-Modemarken

Das ABAG ist weder das größte noch das älteste ausgewiesene antifaschistische Archiv in Deutschland. Es gibt zum Beispiel das große Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin (APABIZ), das 1991 gegründet wurde. Antifaschistische Archive in München, Berlin, Düsseldorf, Marburg und Bielefeld haben zudem einen gemeinsamen Online-Katalog, den „Bibliotheks-Verbundkatalog antifaschistischer Archive“.

Die Gründung des Archivs in Göttingen wurde von den größeren Archiven im Rest des Landes inspiriert, sagt Damian Ott vom ABAG. Der Blick auf die Geschichte der rechtsradikalen Bewegungen könne zeigen, dass einzelne Bewegungen und Praxen eben nicht neu sind.

Ein aktuelles Beispiel dafür: die Identitäre Bewegung. Teil dieser speziellen Nazi-Marke sei es, neue Begriffe für alte faschistische Ideen zu prägen.

Zum Beispiel ist der Begriff „Ethnopluralismus“ schlicht „Blut und Boden“-Ideologie. Also nicht neu, wie Damian Ott sagt. Das Wort und das Konzept sei fast 50 Jahre alt. Das neue Gewand der Identitären Bewegung hätte man so wegreißen können, meint Damian Ott: „Man hätte der Öffentlichkeit eine Menge unbegründeter Berichterstattung ersparen können, wenn die Leute die Geschichte der Rechten nachgeschlagen hätten.“

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