Equal Pay der US-Fußballerinnen: Zeit für neue Ikonen

Die US-Spielerinnen haben gleiche Bezahlung erreicht. Gut so. Der extreme mediale Erfolg ihres Kampfes ist aber auch imperial begründet.

Megan Rapinoe jubelt mit ausgebreiteten Armen bei der WM

Gar nicht so viel Anteil am globalen Ruhm: Megan Rapinoe Foto: Benoit Tessier/reuters

„Equal Pay, Equal Pay!“, so schallte es nach dem WM-Sieg der US-Amerikanerinnen 2019 in Lyon durchs Stadion. Und auch, wer mit dem Fußball der Frauen nichts zu tun hat, kennt diesen einen Konflikt. Das US-Frauenteam vs. Ungleiche Bezahlung, die Klage der Fußballerinnen gegen den eigenen Verband wegen Geschlechterdiskriminierung, das war über Jahre der feministische Kampf des Sports. Nun ist dieser Kampf gewonnen, beinahe ein wenig still und leise.

In einer 24 Millionen Dollar schweren Einigung wurde die Lohnlücke zwischen den Frauen und dem Männerteam geschlossen; die Prämien werden angeglichen, die Spielerinnen erhalten hohe Nachzahlungen für die vergangenen Jahre. Equal Pay. Dass diese Nachricht in den letzten Tagen medial kaum eine Rolle spielte, ist freilich der Tatsache geschuldet, dass ein weiterer Konflikt sich allen öffentlichen Raum nahm: Wladimir vs NATO. Gegen den Newsstrudel des Ukraine-Kriegs kommt selbst Megan Rapinoe nicht an.

Dabei ist die mediale Rolle der US-Spielerinnen in diesem Ringen um Gleichberechtigung hoch interessant. Denn der Kampf ist ja weder der erste seiner Art (die Norwegerinnen erreichten schon 2017 Equal Pay, selbst Fidschi war schneller), noch sind die USA, geschlechterübergreifend betrachtet, die größte Fußballnation, deren Frauen gleiche Bezahlung errangen – dieser Titel gebührt sicherlich Brasilien. Auch dort gibt es seit 2020 Equal Pay. All das dürften jedoch höchstens Ken­ne­r:in­nen mitbekommen haben. Der Kampf der US-Amerikanerinnen hingegen, Megan vs. Männliche Hegemonie, wurde zum wirkmächtigen Symbol, das die Welt bewegte. Wieso?

Weil die Amerikanerinnen laut sind, sagen die deutschen Spielerinnen gern. Sie hätten dieses messianische Sendungsbewusstsein, das immer ein bisschen viel ist fürs mitteleuropäische Gemüt, aber hierzulande heimlich auch bewundert wird. Für Rapinoe ist es immer gleich die Weltrettung, tiefer macht sie es nicht.

Mediale Dominanz von US-Themen

Anlässlich des Meilensteins der Gleichbezahlung sprach sie über die Millionen Menschen, die Geschlechterdiskriminierung erleben. „Ich und meine Teamkolleginnen sind für sie da.“ Einen Satz, den man so von Almuth Schult wahrscheinlich nicht hören würde. Lautstärke, Dominanzgebaren, sportlicher Erfolg und das kluge Nutzen von Social Media sind ein Teil der Wahrheit. Zumindest im Vergleich zum Dornröschenschlaf, den die deutschen Verbände weiterhin schlafen dürfen.

Aber der Kern des Glanzes ist viel banaler: mediale Dominanz von US-Themen. Nicht nur in deutschen Nachrichten ist die Noch-Imperialmacht USA derart unhinterfragt omnipräsent, dass US-Berichterstattung fast schon nicht mehr als Auslands-, sondern als Heimatberichterstattung durchgeht. Eine zweite, asymmetrische Heimat, die von ihrer Peripherie kaum etwas weiß und sich um sie nicht schert.

Imperium und Peripherie

Was im Kern des Imperiums geschieht, ist auch unsere Kultur geworden, unsere Filmwelt, unsere Politik, unser Sport. Ein „unser“ aber, bei dem die unterworfene Peripherie keine demokratische Einflussmöglichkeit hat, sie ist darin nur ein TV-Publikum. Megan Rapinoe ist in diesem Sinne auch ein deutscher Star, der von seinem Glück nichts weiß. Ähnlich wie Colin Kaepernick, der gegen Rassismus kniete. An ihrem Weltruhm haben sie, global gesehen, wenig Anteil.

2019, bei derselben WM, wo das Publikum für die USA „Equal Pay“ rief, waren auch die Nigerianerinnen sehr laut. Im Kampf um ausstehende Bezahlung weigerten sie sich, das Hotel zu verlassen. Sie nutzten Sit-Ins, Boykott-Drohungen, globale Medien, und Kapitänin Desire Oparanozie, die immer wieder Equal Pay fordert, zahlte für all das mit ihrer Nationalteam-Karriere. International aber wurde dieser Kampf wahrgenommen als etwas bizarre Posse des afrikanischen Kontinents, wo Spie­le­r:in­nen ihre Gehälter nicht kriegen. Der Kampf, US-Frauen vs Verband, ist nun erfolgreich geschlagen. Gut so. Aber auch an der Zeit für neue Ikonen.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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