Einigung über Braunkohletagebau Turów: Polen und Tschechen einig über Mine

Tschechien fürchtete wegen des Tagebaus Turów um seine Trinkwasserversorgung. Die Regierung in Warschau hofft nun auf Ende des EuGH-Prozesses.

Rauch steigt ausd den Schornsteinen eines Kohlekraftwerks auf, düsterer Himmel

Dunkle Wolken, düstere Klimabilanz: Braunkohlekraftwerk Turów in Polen Foto: Petr David Josek/ap

WARSCHAU taz | In Polen ist es eine Sensation: Polen und Tschechien haben sich über den Braunkohletagebau Turów geeinigt. Am Donnerstag unterzeichneten der polnische Premier Mateusz Morawiecki und sein tschechischer Kollege Petr Fiala ein Abkommen zur Beilegung eines Streits, der sich über Monate hingezogen hatte. Tschechien warf Polen vor, ihm mit dem Kohletagebau das Wasser auf der anderen Seite der Grenze abzugraben, Polen machte geltend, dass eine ganze Region von der Kohle lebe und Strom wie Fernwärme vom dazugehörigen Kraftwerk beziehe.

Am Ende verklagte Tschechien Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Es kam zur vorläufigen Richteranordnung, dass Polen den Tagebau bis zum endgültigen Urteil stoppen müsse. Polen weigerte sich, dies zu tun, was zu einem täglich anfallenden Strafgeld in Höhe von einer halben Million Euro führte. Die rasch auf eine zweistellige Millionensumme wachsende Strafe wollte Polen auch auf keinen Fall zahlen. Die Regierung, die seit 2015 von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestellt wird, verhandelte die ganze Zeit mit Tschechien, das allerdings nach Neuwahlen ein neues Kabinett erhielt. Ziel war es, zu einer Einigung zu kommen, sodass die Regierung in Prag die Vertragsverletzungsklage zurückziehen würde.

Die Situation wirkte umso dramatischer, als am gleichen Tag, an dem Morawiecki ins Flugzeug nach Prag stieg, der Generalanwalt Priit Pikamäe im EuGH in Luxemburg seinen Schlussantrag stellte. Seiner Ansicht nach habe Polen „dadurch gegen Unionsrecht verstoßen, dass es die Genehmigung für den Abbau von Braunkohle im Tagebau Turów ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung um sechs Jahre verlängert hat“. Damit gibt der Generalanwalt Tschechien recht. Das Land hatte beanstandet, dass es bei einem Weiterbetrieb und einer Ausdehnung des Tagebaus Turów bis nahe an die Grenze Tschechiens zu erheblichen Umweltschäden kommen könnte. Schon in den letzten Jahren war der Grundwasserspiegel gesunken, die Brunnen in Grenznähe ausgetrocknet und Risse in Häuserwänden aufgetaucht.

Im Januar 2020 hatte der Direktor für Umweltschutz der Region Wrocław (Breslau) dem Betreiber des Tagebaus die Umweltverträglichkeitsprüfung bestätigt und dem ganzen Verfahren einen „beschleunigten“ Charakter gegeben. Nur zwei Monate später – im März 2020 – verlängerte dann Polens Klimaminister die Betriebserlaubnis für den Tagebau Turów bis 2026. Berufen konnte sich der Minister auf ein 2018 erlassenes Gesetz, das es erlaubte, einen Braunkohleabbau einmalig um sechs Jahre ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zu verlängern, wenn dies mit einer „rationellen Bewirtschaftung des Kohlevorkommens und ohne Erweiterung des Umfangs der Genehmigung“ begründet werde.

Muss Polen Strafe zahlen?

Tschechien warf Polen vor, dass es schon mit diesem Gesetz von 2008 und dann mit der Genehmigung für den Weiterbetrieb des Tagebaus gleich mehrfach gegen Unionsrecht verstoßen habe. Im September 2020 bat Tschechien die Europäische Kommission in Brüssel um eine Stellungnahme, wollte aber auch mit Polen ins Gespräch kommen und den Streit außergerichtlich beilegen. Als die Kommission Tschechien recht gab, Polen aber nicht bereit war, eine Umweltschutzprüfung durchzuführen oder mit Tschechien eine Begrenzung der Umweltschäden auszuhandeln, zog Tschechien vor Gericht.

Im späteren Urteil, das erst in einigen Monaten erwartet wird, müssen sich die Richter nicht dem Gutachten des Generalanwalts anschließen. Sie tun dies aber oft. Nach der Vertragsunterzeichnung in Prag hofft nun allerdings Morawiecki, dass Prag die Klage zurückzieht und der Fall in Luxemburg ad acta gelegt werden kann. Offen ist, ob Polen die dann bereits aufgelaufenen Strafgelder noch an die Kasse der Europäischen Kommission zahlen muss.

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