Coronavirus in Europa: Schweden lockert trotz Omikron

Das Land hebt fast alle Maßnahmen auf. Covid-19 sei trotz niedriger Impfquote und steigender Inzidenz keine „gesellschaftskritische Krankheit“ mehr.

Lachender Mann im weißen Pullover: der schwedische Epidemiologe Anders Tegnell

Der Epidemiologe Anders Tegnell hält es für unrealistisch, die ganze Bevölkerung zu impfen Foto: Jessica Gow/TT News/reuters

STOCKHOLM taz | Gute Nachrichten hatte die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf einer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen zu verkünden: „Wir wissen nun mehr über die Omikronvariante und die Lage im Gesundheitswesen ist stabil: Es wird Zeit, dass Schweden wieder aufmacht.“ Praktisch alle Corona­restriktionen werden ab dem 9. Februar aufgehoben.

Damit ist Schweden nicht allein: Denn Europa überrollt derzeit nicht nur eine Omikronwelle, sondern auch eine Öffnungswelle. So kündigte die Schweiz am Mittwoch an, dass sie ab Mitte Februar alle Coronamaßnahmen aufheben will. Ab Donnerstag besteht keine Quarantäne­pflicht für Kontaktpersonen mehr. Nur wer selbst infiziert ist, muss sich weiterhin isolieren. Die Homeofficepflicht entfällt. In Tschechien können Ungeimpfte ab dem 9. Februar wieder ins Restaurant und an Veranstaltungen teilnehmen. Auch Finnland kündigte am Donnerstag an, dass es im Februar alle Coronamaßnahmen aufheben will.

In Schweden entfallen mit den Lockerungen Abstandsregeln und Beschränkungen von Öffnungszeiten in der Gastronomie, je nach Größe der Räumlichkeiten begrenzte Zutrittszahlen und die Sitzplatzpflicht im kollektiven Fernverkehr. Dort fällt auch die bisherige Maskenempfehlung weg, eine allgemeine Maskenpflicht hatte Schweden sowieso nie. Veranstalter und Gewerbetreibende dürfen von BesucherInnen und KundInnen auch keinen Impfnachweis mehr verlangen.

Für all diese Restriktionen sei die Geltungsvoraussetzung des Seuchengesetzes entfallen, teilte die Gesundheitsbehörde FHM mit: Covid-19 sei keine „allgemein- und gesellschaftskritische Krankheit“ mehr. Schweden, das sich beim Umgang mit Covid-19 vorwiegend auf Empfehlungen statt auf formale Vorschriften verlassen hatte, hebt nun auch die meisten dieser Empfehlungen auf: beispielsweise größere Zusammenkünfte zu meiden, so weit wie möglich im Homeoffice zu arbeiten oder sich bei Erkältungssymptomen testen zu lassen.

Die Bereitschaft der SchwedInnen, diesen Empfehlungen zu folgen, sei zentral dafür gewesen, dass nun ein Aufheben der Restriktionen möglich sei, „weil die Pandemie zwar nicht vorbei, aber in einer neuen Phase ist“, sagte Andersson. Sie verwies dabei vor allem auf die Impfquote. Die liegt allerdings mit 72,6 Prozent vollständig Geimpfter und mit 38,9 Prozent Drittgeimpfter deutlich unter der Deutschlands. Der Staatsepidemiologe Anders Tegnell ist dennoch zufrieden: Es sei unrealistisch, die ganze Bevölkerung erreichen zu wollen. Er hebt ebenso wie die Regierungschefin als entscheidend hervor, dass 80 Prozent in der Altergruppe 50+ nun „geboostert“ seien.

Zusammen mit der anhaltenden Welle an Neuinfektionen, bei der die Sieben-Tage-Inzidenz in Schweden mit rund 2.500 derzeit doppelt so hoch ist wie in Deutschland, rechnet die Gesundheitsbehörde mit einer „Herden- oder Bevölkerungsimmunität“ und einem anschließendem Sinken der Infektionszahlen für Mitte bis Ende Februar. Aber warum wartet man weder in Schweden noch in Norwegen, wo die letzten Restriktionen am 17. Februar verschwinden sollen, sicherheitshalber den Gipfel bei den Neuinfektionen ab?

Die Frage beantwortet die staatliche norwegische Gesundheitsbehörde „Folkehelseinstituttet“ in ihrem aktuellen „Risikobericht“: Impfen schütze zwar gut vor einer ernsten Erkrankung, könne die Epidemie aber allein nicht stoppen und kaum bremsen. Breiter und länger vor späterer Infektion und schwerer Erkrankung schütze dagegen „eine Hybridimmunität durch Impfung und spätere Infektion.“

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